Entwicklungstrends in Amazonien und Strategien für eine nachhaltige Zusammenarbeit

Die vorliegende Studie wurde im Auftrag des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verfasst und leistete einen Beitrag zur mittel- und langfristigen Fokussierung der deutschen EZ auf strategisch wichtige Bereiche im Amazonasgebiet.

Projektleitung:
Imme Scholz

Projektteam:

Dr. Regine Schönenberg (FU Berlin)

Anette Köhler-Rahm (Projektkoordination)

Finanzierung:
Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Zeitrahmen:
2006 - 2009 / Abgeschlossen

Projektbeschreibung

Ziel der Analyse war, festzustellen, in welchen Förderbereichen die deutsche EZ wirksam zur Aufrechterhaltung der global wichtigen Ökosystemfunktionen Amazoniens beitragen kann. Ausgehend von den wichtigsten Entwicklungstrends in der Region und den umfassenden Erfahrungen, die im Rahmen des PPG7 im brasilianischen Amazonasgebiet seit 1994 gemacht wurden, werden Empfehlungen für die strategische Orientierung der bilateralen Zusammenarbeit mit den behandelten Ländern (Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru) und für einen regionalen Ansatz formuliert.
Mit der Leitfrage „Welche Strukturen und Kräfte beeinflussen die Ressourcennutzungsmuster in Amazonien und definieren die Chancen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ressourcen?“ wurden fünf Schlüsselfaktoren für die Entwicklung der Region in den kommenden Jahrzehnten ermittelt:

  • die Hinterlandfunktion Amazoniens,
  • das Ausmaß der globalen Erwärmung und die voraussichtlichen Folgen des Klimawandels,
  • die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise und die weitere Erdölverknappung,
  • die Entwicklung der Rohstoffpreise und der Nachfrage,
  • die vorhandenen Umweltkapazitäten relevanter öffentlicher und privater Institutionen und Akteure.

Die Auflistung dieser Schlüsselfaktoren zeigt, dass Entwaldungsbekämpfung ein hohes Maß an intersektoraler Politikkoordination erfordert, und zwar idealerweise sowohl innerhalb der jeweiligen Amazonasstaaten als auch zwischen ihnen, auf überregionaler Ebene. Wünschenswert wären nicht nur zwischenstaatliche Kooperationen für den Ökosystemschutz, sondern auch gemeinsame Strategien in der Klima- und Handelspolitik sowie gemeinsame Umwelt- und Sozialstandards bei der infrastrukturellen Erschließung der Region.
Um die Instrumente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit effektiver einzusetzen, ergibt sich in dem Kontext dieser fortgeschrittenen Politikverflechtung die Notwendigkeit einer verstärkten Politikkoordination in Deutschland und auch innerhalb der EU, und zwar zwischen der Entwicklungs-, Umwelt-, Klima-, Energie- und der Handelspolitik. Die Koordination muss nicht nur in Bezug auf sektorale Ansätze erfolgen, sondern auch die Schlussfolgerungen für die praktische Kooperation mit den einzelnen betroffenen Ländern berühren, um einen praktischen Nutzen aus dem Abstimmungsprozess zu ziehen und eine höhere Kohärenz der bilateralen Beziehungen zu erreichen. Besonders wichtig werden das Verhältnis bzw. die Arbeitsteilung zwischen Entwicklungs-, Umwelt- und Klimapolitik in Bezug auf die Reduzierung entwaldungsbedingter Emissionen werden. Die Entwicklungspolitik muss erstens den Transfer ihrer Erfahrungen gewährleisten, die besagen, dass wenig dauerhafte Erfolge in der Entwaldungsbekämpfung erzielt würden, orientierte sich der Mitteltransfer einseitig am Ziel der Emissionsreduktion. Zweitens muss geklärt werden, welche Maßnahmen durch die Mittel des BMU und in Zukunft durch klimapolitische Instrumente finanziert werden sollten und in welchen komplementären Bereichen die EZ agieren sollte. Dies ist wichtig, da voraussichtlich erhebliche zusätzliche Mittel aus dem Klimaregime für den Waldschutz mobilisiert werden können.

Optionen für die bilaterale EZ mit Brasilien:
Im brasilianischen Amazonasgebiet liegt es nahe, die mittelfristige Zusammenarbeit an den programmatischen Vorgaben des Umweltministeriums zu orientieren und hierbei die oben zusammengefassten lessons learned aus dem PPG7 zu berücksichtigen. Für die deutsche bilaterale EZ in Brasilien bieten sich fünf thematische Optionen an, die einerseits auf positiven Erfahrungen der Vergangenheit aufbauen und andererseits neue Themen aufnehmen, die im zweiten Kapitel analysiert worden sind:

  1. Unterstützung bei der Umsetzung des Nationalen Forstprogramms
  2. Unterstützung indigener Völker bei Schutz und Nutzung ihrer Gebiete
  3. Unterstützung des Vorhabens „BR-163 Sustentável“ bzw. der umweltpolitischen Begleitung weiterer großer Infrastrukturvorhaben
  4. Unterstützung beim Management degradierter Flächen
  5. Stärkung der Umwelt-Governance in mittleren und großen Städten Amazoniens.


Optionen für die bilaterale EZ mit den anderen Amazonasstaaten: In den Amazonasanrainerstaaten Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien bestehen die institutionellen Voraussetzungen, um bilaterale Programme aufzulegen, die an die Erfahrungen aus dem PPG7 anknüpfen. Gleichzeitig weist die Problemlage in diesen Ländern eine Reihe von Ähnlichkeiten mit dem brasilianischen Amazonasgebiet auf. Maßnahmen der laufenden EZ, die bereits in diese Richtung wirken, bestehen in fast allen Ländern und sollten fortgesetzt und gestärkt werden. Darüber hinaus wäre ein Vorgehen in zwei Schritten möglich: Im ersten Schritt könnte die deutsche Seite mit dem Partner Einigung über sinnvolle innovative Einzelmaßnahmen erzielen, die besondere Akzente setzen. Mögliche Anknüpfungspunkte wären in den einzelnen Ländern:

Bolivien: ein Begleitvorhaben zur umweltverträglichen Erschließung der Eisenerzmine El Mutún im Departamento Santa Cruz an der Grenze zu Brasilien.. Das indische Unternehmen Jindal Steel and Power erhielt die Lizenz, das Eisenerz abzubauen. Die Verhüttung ist an die Verwendung von Erdgas (anstelle von Holzkohle) gebunden. Das Begleitvorhaben sollte das Ziel verfolgen, Auswirkungen im Umfeld von El Mutún zu vermeiden, wie sie vor 20 Jahren in Carajás eingetreten sind (v.a. Entwaldung durch spontane Migration in die Region).

Peru: Unterstützung des neuen Umweltministeriums bei der Ausarbeitung einer integrierten Amazonaspolitik, die neben der Ausweisung und dem Management von Schutzgebieten auch die Auswirkungen anderer Politikfelder (Bergbau, Wassermanagement, Land- und Forstwirtschaft) umfasst. Zu der Amazonaspolitik würde deshalb auch die Erarbeitung bzw. Umsetzung von Informations- und Koordinationsverfahren mit anderen Ressorts gehören. Weitere Ansatzpunkte wären Beratungsangebote für die Verbesserung der Raumordnung, die Anwendung ökonomischer Steuerungsinstrumente, die Formulierung einer Biodiversitätspolitik und die Durchsetzung von Umweltrecht.

Ecuador: die Unterstützung der ecuadorianischen Zivilgesellschaft bei der Einrichtung eines privatwirtschaftlich finanzierten Fonds zur Sanierung der Gebiete, die durch die Erdölförderung geschädigt wurden. Eine weitere mögliche Unterstützung könnte im Wissens- und Technologietransfer für die Sanierung der schwer verseuchten Böden und Gewässer liegen.

Kolumbien: Stärkung der institutionellen Kapazitäten der Forst- und Umweltverwaltung, um Kolumbien die Teilnahme an Fonds zur Senkung der Emissionen aus tropischer Entwaldung zu ermöglichen.
Im zweiten Schritt könnte ein längerer umweltpolitischer Dialog ins Auge gefasst werden, um umfassendere Programme zur Stärkung der Umwelt-Governance in Amazonien vorzubereiten. In diesen bilateralen oder regionalen Dialog können auch regionale Akteure wie die CAN (Comunidad Andina) und die OTCA (Organisation der Staaten des Amazonaspaktes) einbezogen werden.

Regionale Kooperationsansätze: Der umweltpolitische Dialogprozess mit den Nationalregierungen könnte durch die gleichzeitige Stärkung horizontaler bzw. lokaler Netzwerke von unten begleitet werden. Dafür gibt es drei Ansatzpunkte: Erstens könnte die bilaterale EZ in den verschiedenen Ländern parallel an ähnlichen Themen arbeiten und horizontale Vernetzungen auf Arbeitsebene aufbauen. Dies würde erfordern, die jeweiligen deutschen Länderkonzepte und Schwerpunkte der Amazonasanrainerstaaten in Einklang zu bringen. Zweitens könnten bestehende lokale grenzüberschreitende Kooperationen, bspw. des DED, fortgeführt werden. Drittens könnten regionale NRO-Netzwerke durch deutsche NRO oder Kirchen und Stiftungen unterstützt werden. Besonders im Kontext der Minen-, Öl- und Erdgaskonflikte bietet sich eine solche Strategie an. Auch in diese Kooperationsnetzwerke können regionale Organisationen (CAN, OTCA) einbezogen werden
Aus der Darstellung der zu erwartenden Entwicklungstrends und den bisherigen Erfahrungen der EZ ergeben sich vier Themenfelder für den Aufbau überregionaler Kooperationsnetze, die auch untereinander verknüpft werden können:

  • integriertes Wasserressourcenmanagement,
  • nachhaltige Stadtentwicklung,
  • Kooperationen mit der Privatwirtschaft und mit den Wissenschaften.


Darüber hinaus eignen sich folgende Themen für den regionalen Wissens- und Erfahrungsaustausch:

  • überregionaler Infrastrukturausbau,
  • Katastrophenrisikomanagement im Zeichen des Klimawandels und
  • die Kooperation mit indigenen Völkern.

Erste Ergebnisse:
Die Ergebnisse wurden Ende 2007 in einem Workshop im BMZ vorgestellt, an dem Experten aus der Forschung sowie Vertreter relevanter Ressorts und aus der EZ teilnahmen.

 

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