Staatsmodernisierung und Governance in Lateinamerika

Projektleitung:
Jörg Faust

Zeitrahmen:
2003 - 2008 / Abgeschlossen

Projektbeschreibung

Fragestellung:
Wie lassen sich die unterschiedlichen Dimensionen von Good Governance zu einem schlüssigen Konzept verbinden? Welches sind die Ursachen für die zu beobachtenden Defizite in den Governance-Strukturen lateinamerikanischer Staaten? Welches sind die Herausforderungen bei der externen Förderung von Good Governance? Wie kann die deutsche EZ ihr Portfolio zur Förderung von Good Governance in Lateinamerika optimieren?

Erste Ergebnisse:
Trotz der gestiegenen Bedeutung von politischen Rahmenbedingungen ist Good Governance immer noch ein vergleichsweise unscharfer Konglomeratsbegriff und das Spannungsverhältnis zwischen (rechtsstaatlicher) Ordnung und gesellschaftlicher Selbstorganisation bleibt oftmals unterbelichtet. Um diese Lücke zu schließen wird ein „Fadenkreuz guter Regierungsführung“ entwickelt, welches eine vertikale und eine horizontale Achse politischer Herrschaft enthält. Auf der horizontalen Achse sind die normativen Fluchtpunkte von Good Governance der Rechtsstaat (Ordnung) und die Demokratie (Selbstorganisation). Auf der vertikalen Achse hingegen ist die territoriale Dimension politischer Herrschaft mit den normativen Fluchtpunkten lokale Autonomie/Dezentralisierung (Selbstorganisation) und internationale Strukturpolitik (Ordnung) abgebildet. Die zwischen diesen Fluchtpunkten existierenden Spannungsverhältnisse müssen dabei von den intermediären Strukturen, also vornehmlich von Parteien und Verbänden entschärft werden.

In vielen lateinamerikanischen Staaten sind in den vergangenen beiden Dekaden politische wie ökonomische Reformen eingeleitet worden, die auf alle vier normative Fluchtpunkte zielten. Diese Gleichzeitigkeit intensiver Reformversuche und die oftmals mangelnde liberaldemokratische Tradition verhinderten jedoch vielfach, dass sich funktionsfähige intermediäre Strukturen entwickeln konnten. Die Kombination aus dysfunktionalen intermediären Strukturen und der Persistenz illiberaler Praktiken wie Korruption, Rechtsbeugung, Menschenrechtsverletzungen, etc. ist daher auch auf eine Überforderung der politischen Akteure zurückzuführen. Denn mit allen Reformvorhaben ging auch eine Intensivierung der gesellschaftlichen Verteilungskonflikte einher, die eine Orientierung an gesamtgesellschaftlich kohärenten Reformen verhinderten und die politischen Akteuren zu kurzfristigen, an Partikularinteressen orientierten Handlungsstrategien verleiteten.

Für die Förderung von Good Governance bieten diese Erkenntnisse folgende Strategieempfehlungen: 1) Die einzelnen Themenfelder bei der Förderung „guter“ Regierungsführung müssen auf das engste miteinander verknüpft werden, damit die den normativen Fluchtpunkten „guter“ Regierungsführung inhärenten Spannungsfelder keine destruktive Wirkung auf den Reformprozess entfalten. 2) Die einzelnen Themenfelder bei der Förderung „guter“ Regierungsführung müssen immer auch die Verarbeitungsfähigkeit intermediärer Strukturen im Auge behalten, da diese letztlich der entscheidende Transmissionsriemen zwischen Bürger und Staat sind und die Nachhaltigkeit politischer Reformen garantieren müssen. 3) Mit den beiden erstgenannten Anforderungen steigt die Komplexität bei der Förderung „guter“ Regierungsführung was eine deutliche Verbesserung des strategischen Wissensmanagements innerhalb der EZ nach sich ziehen muss.

Publikationen zum Themengebiet
Faust, Jörg (2003): Brazil: resisting globalization through federalism?, Externe Publikationen
Faust, Jörg (2003): Politische Herrschaft und wirtschaftliche Entwicklung: Lateinamerika in den 1990er Jahren, Externe Publikationen
Faust, Jörg (2002): Staatsversagen in Lateinamerika: der verweigerte Leviathan, Externe Publikationen