Weltinnenpolitik im Wahljahr 2024

Kriege beenden, Rechtsruck verhindern, Transformation gestalten, Allianzen ausbauen

Kriege beenden, Rechtsruck verhindern, Transformation gestalten, Allianzen ausbauen

Download PDF 316 KB

Hornidge, Anna-Katharina
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 22.01.2024

Bonn, 22.01.2024. Das Jahr 2024 tritt kein leichtes Erbe an. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine zieht sich in die Länge. Der Krieg zwischen Israel und Hamas im Gaza-Streifen droht sich auf die Großregion des Nahen Ostens auszubreiten. Konflikte in Äthiopien, Jemen und der Sahel-Region destabilisieren Gesellschaften. Gleichzeitig tragen Schuldenkrisen in zahlreichen Niedrig- und Mitteleinkommensländern sowie die Klima- und Biodiversitätskrise zu fehlender sozialer Absicherung bei. Die resultierende Angst ist Nährboden autoritärer Parteien und Systeme.

Neben diesen Krisen birgt 2024 aber auch das Potential für Veränderung und Richtungswechsel: Es ist Wahljahr in über 70 Ländern, hiervon über 40 Demokratien. Mehr als 4,2 Milliarden Menschen, über die Hälfte der Weltbevölkerung, werden im Laufe des Jahres aufgefordert sein, zur Wahl zu gehen. So auch in einigen der bevölkerungsstärksten Nationen: Indien, den USA, Indonesien und Südafrika. Auch die Europäische Union wählt. Zählt man Wahlen auf kommunaler oder Provinzebene, wie in Brasilien, oder Wahlen in Autokratien wie Russland hinzu, so tritt ein Großteil der Bevölkerungen der seit dem 1. Januar 2024 erweiterten BRICS-Staatengruppe, ebenso wie die Wähler*innen im ‚alten Westen‘ – der USA und der Europäischen Union – an die Urnen. Der Startschuss fiel mit der Wahl in Bangladesch am 7. Januar, gefolgt von der Wahl in Taiwan am 13. Januar.

Eine von vielfältigen Krisen gebeutelte Weltgemeinschaft wählt - wenn auch unter unterschiedlichen Bedingungen. 2024 wird somit zeigen, welche Formen von Kooperation und Konkurrenz die Ausgestaltung einer multipolaren Weltordnung in Zukunft prägen werden. Es gilt, Dialog, gemeinsame Interessen und Zusammenhalt innerhalb und zwischen Gesellschaften und Weltregionen zu fördern und den Krisendynamiken im Sinne eines globalen Gemeinwohls beharrlich entgegenzutreten.

Zwei Ziele sollten im Jahr 2024 unser Handeln besonders leiten: Frieden und Demokratie.

Kriege beenden, politische Konfliktlösungen suchen: Ob in der Ukraine, dem Gaza-Streifen oder in der Sahel-Region – das Einstellen der militärischen Auseinandersetzungen und das Verhindern weiterer Ausbreitungen der Konflikte muss politische Priorität haben. Europa und Deutschland sollte ihre Unterstützung der Ukraine – auch unabhängig von den USA – aufrechterhalten und ausbauen sowie die EU-Beitrittsverhandlungen vorantreiben, während die Ukraine unabhängige und freie Wahlen sicherstellt. Im Gaza-Streifen sollte die internationale Gemeinschaft die beteiligten Akteure darin bestärken, der Gewalt ein Ende zu setzen und den Dialog zwischen Israel und Palästina für eine Zwei-Staaten-Lösung aufzunehmen.

Rechtsruck verhindern, Demokratien stärken: Die anstehenden Wahlen in den USA, der EU, Indien, Indonesien und Südafrika, sowie in der Türkei, Pakistan, Senegal, Ghana oder Mexiko entscheiden, ob die seit Jahren voranschreitenden Autokratisierungsprozesse und die Unterwanderung demokratischer Praxis zunehmen oder ausgebremst werden. Es bedarf dringend der Stärkung nicht-polarisierender Kräfte sowie multilateraler Systeme, der Anerkennung der Menschenrechte und des Einhaltens des internationalen Völkerrechts.

Deutschland, Europa, wir alle sollten uns unermüdlich für Frieden, Stabilität und eine freiheitliche multilaterale Ordnung einsetzen. Sowohl durch den sozialgerechten und klimastabilisierenden Umbau der Wirtschaftssysteme als auch im Schulterschluss mit strategischen Partnern aller Kontinente, die für das globale Gemeinwohl und eine nachhaltige Zukunft stehen.

Sozialgerechter & klimastabilisierender Umbau von Wirtschaftssystemen: Die Einigung auf eine „Abkehr von fossilen Brennstoffen“ im Kampf gegen die Klimakrise auf der COP28 im Dezember 2023 in Dubai und die Wiederbestätigung der Agenda 2030 im September 2023 in New York benötigen nun der rasanten Umsetzung, unterstützt durch die Reformen der Internationalen Finanzinstitutionen und eine massive Privatkapitalmobilisierung. Besondere Unterstützung ist notwendig für hochverschuldete Niedrig- und Mitteleinkommensländer.

Allianzen: Europa und Deutschland sollten gezielt Allianzen und Partnerschaften ausbauen – auch unabhängig von den USA und besonders mit Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, die sich dem globalen Gemeinwohl entlang der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und dem Pariser Klimaabkommen verpflichten. Gerade die Wahlen in den USA, Indien, Südafrika und Indonesien werden, wie auch bereits in Taiwan, hier richtungsweisend sein.

Das Jahr 2024 steht für Krisen und Kriege, sowie für Wahlen und einen möglichen Richtungswechsel. Dialog, politische Konfliktlösung und das Stärken bi-, tri- und multilateraler Kooperationen für eine freiheitliche und friedvolle globale Ordnung benötigen höchster politischer Priorität. Wir brauchen eine Weltinnenpolitik für globales Gemeinwohl.

Über die Autorin

Hornidge, Anna-Katharina

Entwicklungs- und Wissenssoziologie

Hornidge

Weitere Expert*innen zu diesem Thema

Baumann, Max-Otto

Politikwissenschaft 

Baydag, Melis

Politikwissenschaft 

Bergmann, Julian

Politikwissenschaft 

Dang, Vy

Politikwissenschaft 

Erforth, Benedikt

Politikwissenschaft 

Friesen, Ina

Politikwissenschaft 

Hackenesch, Christine

Politikwissenschaft 

Janus, Heiner

Politikwissenschaft 

Keijzer, Niels

Sozialwissenschaft 

Koch, Svea

Sozialwissenschaft 

Löpelt, Sarah

Internationale Beziehungen und Nachhaltigkeitspolitik 

Olekseyuk, Zoryana

Ökonomie 

von Haaren, Paula

Entwicklungsökonomie