
Der Flüchtlingsbegriff in Afrika: Ein Fall von politischer Auslegung - Aufnahme Geflüchteter und fließende kategoriale Übergänge im Kontext der Dekolonisierung
Jaji, RoseExterne Publikationen (2025)
in: Jochen Oltmer / Marcel Berlinghoff / Franck Düvell / Benjamin Etzold / Christine Lang / Andreas Pott (Hrsg.), Report Globale Flucht 2025, Frankfurt: S. Fischer Verlag GmbH, 139-146
ISBN: 978-3-596-71232-8
Information
Die Organisation fur Afrikanische Einheit (OAU), heute Afrikanische Union (AU), schloss 1969 eine Fluchtlingskonvention, deren Regelungen zum Teil von jenen der Genfer Fluchtlingskonvention von 1951 abweichen. In der Fluchtlingskonvention der AU wird explizit die politische Natur Gefluchteter anerkannt und eine Begriffsbestimmung vorgenommen, die in den politischen Umwalzungen im Kontext von Kolonialisierung und antikolonialer Kampfe verankert ist. Sie definiert Gefluchtete als Menschen, die vor Ereignissen fliehen, die ihren Ursprung in ≫externer Aggression, Besetzung, [und] auslandischer Beherrschung≪ haben (Artikel 1. 2). Der damalige politische Zeitgeist basierte auf Antikolonialismus, Panafrikanismus und afrikanischer Solidaritat. Er pragte einen entsprechenden Humanitarismus und wirkte sich unmittelbar auf die offenen Fluchtlingspolitiken auf dem Kontinent aus. Dementsprechend nahmen die damals gerade unabhangig gewordenen afrikanischen Staaten Menschen aus den noch nicht befreiten Kolonien des Kontinents auf. Sie forderten und unterstutzten den Widerstand gegenuber der kolonialen Besetzung, indem sie sowohl materielle als auch moralische, militarische, ideologische und politische Unterstutzung boten. Insbesondere nahmen sie Afrikaner:innen auf, die vor den durch diesen Widerstand erzeugten gewaltsamen Gegenreaktionen flohen. Diese Unterstutzung machte eine Unterscheidung zwischen Gefluchteten auf der einen und politischen Aktivist:innen und Kampfer:innen auf der anderen Seite fragwurdig. Den unabhangig gewordenen Landern erschien es deshalb politisch inkoharent und unlogisch, antikoloniale Kampfe zu unterstutzen und zugleich Afrikaner:innen, die vor ebendiesen Kampfen aus ihren Landern flohen, das Asyl zu verweigern.