Sevilla 2025
Steuervergünstigungen gehören in die Debatte über Entwicklungsfinanzierung
von Haldenwang, ChristianDie aktuelle Kolumne (2025)
Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 07.07.2025
Bonn, 7. Juli 2025. In der vergangenen Woche fand in Sevilla die Vierte Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4) statt. Ziel war es, die globale Entwicklungsfinanzierung an aktuelle Herausforderungen wie Klimawandel, wirtschaftlichen Nationalismus und Zunahme gewaltsamer Konflikte anzupassen. Vor diesem Hintergrund kann es bereits als Erfolg gewertet werden, dass die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (VN) einen Konsens über das FfD4-Abschlussdokument (Compromiso de Sevilla) erzielt haben. Möglich wurde die Einigung dadurch, dass die USA aus den Verhandlungen ausgestiegen sind und sich faktisch aus dem gesamten Prozess zurückgezogen haben.
Im Abschlussdokument heißt es, dass innerstaatliche Anstrengungen zur Mobilisierung zusätzlicher öffentlicher Mittel durch „umfassende und wirksame internationale Steuerzusammenarbeit“ ergänzt werden müssen. Dabei sollen die besonderen Herausforderungen der Entwicklungsländer berücksichtigt werden. Die Unterzeichnerstaaten sind aufgefordert, sich an den laufenden Verhandlungen zum Rahmenübereinkommen der VN über die internationale Zusammenarbeit in Steuerfragen konstruktiv zu beteiligen – übrigens ein weiterer internationaler Reformprozess, aus dem sich die USA in diesem Jahr zurückgezogen haben.
Während die Mobilisierung inländischer Einnahmen unbestritten als zentraler Bestandteil von Entwicklungsfinanzierung gilt, gibt es Differenzen bei der Frage, wieviel internationale Zusammenarbeit hierfür notwendig ist. Einige mächtige Akteure pochen darauf, dass Steuerfragen in die ausschließliche Zuständigkeit der Nationalstaaten gehören, und haben wenig Interesse an internationaler Koordinierung. Viele Fachleute und internationale Organisationen sehen das aber dezidiert anders. Schließlich hat die in einem Land verfolgte Steuerpolitik oft tiefgreifende Auswirkungen auf Steuereinnahmen, Investitionen und andere Entwicklungsindikatoren in anderen Ländern.
Hier kommen Steuervergünstigungen ins Spiel. Der Begriff umfasst sämtliche steuerliche Ausnahmeregelungen – Befreiungen, Ermäßigungen etc. –, mit denen Staaten bestimmte Gruppen, Tätigkeiten oder Wirtschaftszweige fördern. Steuervergünstigungen sollen verschiedensten politischen Zielen dienen. Daten belegen jedoch, dass sie ihre Ziele oft verfehlen. Sie machen Steuersysteme tendenziell komplizierter, regressiver und intransparenter. Sie können sogar schädlich sein, indem sie negative externe Effekte und Spillover-Effekte erzeugen.
Darüber hinaus sind Steuervergünstigungen kostspielig. Laut der Global Tax Expenditures Database (GTED) beliefen sich 2022 die Einnahmenverluste durch Steuervergünstigungen im weltweiten Durchschnitt auf 4,2 % des BIP und 25,7 % der Steuereinnahmen. Da es kaum gründliche Kosten-Nutzen-Analysen gibt, wissen die meisten Regierungen nicht, was ihre Steuervergünstigungen tatsächlich kosten, geschweige denn, welche positiven oder negativen Auswirkungen sie haben.
Steuervergünstigungen wurden traditionell als ein Thema betrachtet, das in die exklusive Zuständigkeit nationaler Regierungen fällt. Dies ändert sich jedoch gerade. Die FfD4 ist die erste Konferenz dieser Art, die sich in ihrem Abschlussdokument ausdrücklich auf Steuervergünstigungen bezieht. Der Verweis ist kurz, aber aussagekräftig: „Wir empfehlen eine verbesserte Überwachung und Verwaltung von Steuervergünstigungen, unter anderem durch ein transparentes Berichtswesen.“
Welche Maßnahmen sind dafür nun erforderlich? Eine Gruppe internationaler Think Tanks und NROs – das International Centre for Tax and Development (ICTD), das International Institute for Sustainable Development (IISD), der Council on Economic Policies (CEP), ODI Global und IDOS – werben dafür, Steuervergünstigungen in die internationale Zusammenarbeit einzubeziehen. Im Rahmen der Sevilla Platform for Action haben wir ein „Bündnis Steuervergünstigungen“ (Coalition on Tax Expenditure Reform) gebildet, das die Rationalisierung von Steuervergünstigungen als Schlüsselfaktor für die Erweiterung des fiskalischen Spielraums weltweit vorantreiben will.
Konkret muss die internationale Gemeinschaft in zwei grundlegenden Bereichen tätig werden:
Erstens sollte sie sich auf Mindeststandards für die öffentliche Berichterstattung über Steuervergünstigungen einigen, wie sie beispielsweise im Global Tax Expenditures Transparency Index (GTETI) festgelegt sind. Regierungen sollten regelmäßig berichten, am besten im Rahmen des Haushaltsprozesses, und über die Rechtsgrundlage, Ziele und Zielgruppen der Maßnahmen sowie die dadurch entgangenen Einnahmen informieren. Diese Berichte sollten dem Parlament und der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus sollten sich Regierungen verpflichten, ihre Steuervergünstigungen regelmäßig und umfassend zu evaluieren und die Ergebnisse dieser Evaluierungen zu veröffentlichen, so dass sie in politische Entscheidungsprozesse einfließen können.
Zweitens haben Steuervergünstigungen nicht selten Auswirkungen auf Drittländer. Daher ist es unerlässlich, sie auch in die internationale Zusammenarbeit einzubeziehen und ähnlich wie andere steuerpolitische Themen auf zwischenstaatlicher Ebene zu koordinieren. Gemeinsame Standards für die Berichterstattung über Steuervergünstigungen, inklusive der entgangenen Einnahmen, können dazu beitragen, die Länder vor schädlichem Steuerwettbewerb sowie Steuervermeidung und -hinterziehung zu schützen.