Multilateralismus in Zeiten des Umbruchs

Der Multilateralismus befindet sich in einer Phase grundlegender Veränderungen: Geopolitische Dynamiken und Machtverhältnisse verschieben sich, zentrale Normen werden ausgehöhlt, und die Institutionen, die sie bislang getragen haben, verlieren zunehmend an Legitimität. Die globale Ordnung – ebenso wie die sie stützenden Institutionen – befindet sich im Umbruch. Daraus ergibt sich die Chance, ein besseres System aktiv mitzugestalten, neu zu denken und seine Grundlagen zu legen. Der 80. Jahrestag der Vereinten signalisiert einen ebenso symbolischen wie praktischen Zeitpunkt, um Reformen anzustoßen, die Weichen für die Agenda der nächsten Generalsekretärin oder des nächsten Generalsekretärs zu stellen und einen zukunftsweisenden Kurs zu entwickeln. Im Mittelpunkt unseres Projekts steht daher nicht die Bewahrung des Status quo, sondern die Neugestaltung des Multilateralismus, sodass er flexibel, inklusiv und politisch tragfähig wird.

Projektleitung:
Stephan Klingebiel

Projektteam:
Charlotte Gehrke

Zeitrahmen:
2025 - 2026 / Laufend

Kooperationspartner:

Robert Bosch Stiftung

Starling Institute

Projektbeschreibung

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Multilateralismus –die Zusammenarbeit von Staaten und internationalen Organisationen zur Lösung gemeinsamer Probleme – ein zentrales Element der internationalen Ordnung. Heute steht dieses System jedoch vor seiner größten Bewährungsprobe seit seiner Entstehung.

Weitgehend unstrittig ist, dass globale Herausforderungen wie Klimawandel, Pandemien, digitale Regulierung, Ungleichheit oder die Verhinderung von Konflikten nur durch gemeinsame internationale Anstrengungen bewältigt werden können. In der Praxis werden die Erwartungen jedoch häufig nicht durch entsprechende Fortschritte erfüllt. Viele internationale Organisationen leiden zudem unter zunehmenden geopolitischen Spannungen, chronischer Unterfinanzierung und einem wachsenden Vertrauensverlust zwischen Regierungen und der Öffentlichkeit.

Gleichzeitig werden die Grundideen internationaler Zusammenarbeit immer häufiger infrage gestellt. Einige einflussreiche Staaten sehen globale Institutionen und Gesetzgebung als Einschränkung ihrer nationalen Souveränität. Viele Länder des Globalen Südens wiederum empfinden das bestehende multilaterale System als unausgewogen und unzureichend repräsentativ. Daraus ergibt sich ein problematischer Widerspruch: Während sich globale Krisen häufen und der Bedarf an internationaler Zusammenarbeit erhöht, verlieren genau jene Institutionen an Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit, die für diese Zusammenarbeit benötigt werden.

Diese Krise ist jedoch nicht nur ein Zeichen des Niedergangs des multilateralen Systems, sondern bietet auch Chancen für Erneuerung. Statt das multilaterale System als überholt abzuschreiben, lässt sich die aktuelle Phase als ein notwendiger Wandel verstehen – mit dem Potenzial, eine gerechtere, flexiblere und wirksamere Form internationaler Zusammenarbeit zu entwickeln.

Fortschritte lassen sich vor allem durch pragmatische Ansätze erzielen, darunter:

  • Kooperation mit Bezug auf konkrete Themen und klar definierte Probleme,
  • die gezielte Förderung sogenannter „Effizienzinseln“, also öffentlicher Institutionen, die auch unter schwierigen Bedingungen zuverlässig Ergebnisse liefern wenn fast alle anderen öffentlichen Einrichtungen keine ausreichenden Leistungen erbringen können,
  • eine engere Zusammenarbeit gleichgesinnter Partner über Regionen hinweg sowie
  • flexible Koalitionen, die OECD-Länder und Staaten des Globalen Südens auf Grundlage gemeinsamer Interessen zusammenbringen.

Mit Blick auf das bevorstehende 80-jährige Jubiläum der Vereinten Nationen macht die Reformagenda des Generalsekretärs („UN 80“) deutlich, wie entscheidend die kommenden Jahre sein werden. Ob der Multilateralismus eine Zukunft hat, hängt davon ab, ob internationale Institutionen sich an neue globale Realitäten anpassen und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen können.