Der Weltentwicklungsbericht 2012 “Gender equality and development”: konzeptioneller Wendepunkt bei gleichbleibender Praxis?

Der Weltentwicklungsbericht 2012 “Gender equality and development”: konzeptioneller Wendepunkt bei gleichbleibender Praxis?

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Herrfahrdt-Pähle, Elke / Birte Rodenberg
Analysen und Stellungnahmen 1/2012

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Engl. Ausg. u.d.T.:

 

The World Development Report 2012 "Gender Equality and Development":
conceptual turning point: but no change in practice?

 

(Briefing Paper 2/2012)

Mit dem Weltentwicklungsbericht 2012 widmet die Weltbank erstmals eine ihrer konzeptionell einflussreichsten Publikationen dem Thema Geschlechtergerechtigkeit. Auf profunden qualitativen Studien beruhend, dokumentiert der World Development Report (WDR) 2012 zunächst Fortschritte – wie den verbesserten Zugang von Mädchen und Frauen zu Bildung – und Hindernisse – wie die massive Ungleichheit im Bereich politisch-sozialer Partizipation – auf dem Weg zu einer größeren Geschlechtergerechtigkeit. Gleichzeitig wird erstmalig die Gleichberechtigung der Geschlechter als ein eigenständiges Entwicklungsziel anerkannt. Durch Bezugnahme auf die normativen bzw. rechtsverbindlichen Referenzrahmen der Vereinten Nationen – die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) und die Anti- Diskriminierungskonvention (CEDAW) – erfolgt zudem eine deutliche Politisierung des Gender-Ansatzes. Bemerkenswert sind dabei nicht so sehr die Ergebnisse des Berichts; denn die Trends dieser heterogenen Entwicklung der globalen Geschlechterverhältnisse sind seit der Überprüfung der MDGs bekannt. Markant ist vielmehr die Tatsache, dass die Weltbank mit dem Weltentwicklungsbericht an zentrale Erkenntnisse aus der internationalen Frauenbewegung anknüpft – ganz entgegen ihres über viele Jahrzehnte vertretenen instrumentalisierenden Credos, dass „Wirtschaftswachstum gut für die Chancengleichheit“ und die Gleichberechtigung von Frauen zugleich eine wichtige Voraussetzung für eine erhöhte Produktivität und Marktentwicklung seien. So erkennt sie erstmals die Bedeutung kollektiver Aushandlungsprozesse und kollektiver Handlungsmacht (agency) für Empowerment-Prozesse zur Veränderung bestehender Gesellschaftshierarchien und Diskriminierungsmuster an. Aber auch die hohe Bindekraft von informellen Institutionen, wie kulturelle Normen und Traditionen, für geschlechtsspezifische Rollenzuschreibungen werden analysiert. Diese konzeptionelle Neuerung steht jedoch im Gegensatz zum operationalen Geschäft, dessen Programme trotz einiger Bemühungen weiterhin nur ungenügend gendersensibel ausgerichtet sind. Somit ist der Weltentwicklungsbericht ein konzeptioneller Schritt in die richtige Richtung, dessen Handlungsempfehlungen jedoch unzureichend und seine Auswirkungen auf die praktische Arbeit der Bank noch offen sind. Um die mit dem Weltentwicklungsbericht eingeschlagene Richtung weiter zu verfolgen, sollte die Weltbank zunächst verstärkt zur Finanzierung des MDG 3 beitragen, wieder länderspezifische Genderanalysen (Country Gender Assessments) einführen sowie den aktuellen Gender Transition Plan zur Umsetzung der Weltbank- Genderpolitik an den im WDR vertretenen Genderansatz anpassen.

Über die Autorin

Herrfahrdt-Pähle

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