Ägypten: Die Herausforderungen des Wandels bewältigen

Ägypten: Die Herausforderungen des Wandels bewältigen

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Vidican, Georgeta / Yasser Sherif
Die aktuelle Kolumne (2015)

German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 30.03.2015)

Bonn, Kairo, 30.03.2015. Vom 13.-15. März 2015 organisierte die ägyptische Regierung eine internationale Großveranstaltung, die „Egypt Economic Development Conference“. Ziel war es, das Land auf der Agenda der Investoren neu zu positionieren und so die Wirtschaft zu stabilisieren. Die Ergebnisse dieser Konferenz sind ermutigend, zeigen aber auch, wie wichtig es für Ägypten ist, für eine Agenda des Wandels das notwendige Engagement unter Beweis zu stellen.

Ägyptens Transformation zu einer nachhaltigen Entwicklungsökonomie könnte zu einer notwendigen Bedingung für seine wirtschaftliche und politische Stabilität werden. Die Bevölkerung hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten mehr als verdoppelt; sie lebt auf weniger als sieben Prozent des Staatsgebiets. Die Herausforderungen sind gewaltig: ein bescheidenes Pro-Kopf-Einkommen, 40 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und die Jugendarbeitslosigkeit ist höher als je zuvor. Die Probleme werden durch abnehmende Wettbewerbsfähigkeit, schwindende Energie-, Wasser- und Ernährungssicherheit, geringe Investitionen und einen geschwächten Industriesektor noch verschärft. Die Last historisch hoher und wenig zielgenauer Subventionen für fossile Brennstoffe hat die Energiekrise weiter zugespitzt. Ausgaben für soziale und wirtschaftliche Zwecke werden verhindert und Investitionen in saubere Energietechnologien gehemmt. Der Wandel muss mitten in einer politischen Übergangsphase und in einer prekären Wirtschaftslage stattfinden, die durch anhaltende politische Unruhen noch verstärkt wird. 

Das Ziel der Konferenz, neues Licht auf Ägyptens großes Entwicklungspotenzial zu werfen und Investitionen in Großprojekte anzuziehen, scheint erreicht. Die ägyptische Regierung hat erste Schritte zur Stabilisierung der Wirtschaft vorgestellt, darunter Subventions- und Steuerreformen sowie Pläne für große Infrastrukturprojekte. Am Ende der dreitägigen Veranstaltung wurden Abkommen und Absichtserklärungen mit internationalen Unternehmen unterzeichnet, die auf 150-170 Mrd. USD geschätzt werden. Die meisten Projekte betreffen die Sektoren Energie, Immobilien, Nahrungsmittel und Infrastruktur. Die Veranstaltung zeigte das Interesse von Investoren am ägyptischen Markt und läutete eine neue Entwicklungsphase ein, die die Probleme der Vergangenheit angehen soll.

Doch tut die ägyptische Regierung genug für nachhaltige Entwicklung? Beispiel Energiesektor: obwohl einige Investitionen in saubere Energien vereinbart wurden, gibt es mehr Projekte für konventionelle Energien – entsprechend der Energiemix-Strategie der Regierung, die auf geringe Kosten abzielt. Ein großes Projekt der Landgewinnung und die diskutierte Entwicklung der Suezkanal-Region scheinen sich des Problems der Bevölkerungsverteilung anzunehmen. Doch es ist fraglich, ob diese kapitalintensiven Investitionen auch die Arbeitslosigkeit verringern können. Die neuen Immobilienprojekte, welche die urbane Bevölkerungsdichte regulieren sollen, sind ebenso umstritten, z. B. die neue Verwaltungshauptstadt.

Der ägyptischen Regierung scheint bewusst zu sein, dass die Konferenz nicht der einzige Anstoß sein kann. So wurde parallel ein Programm zur Unterstützung von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) aufgelegt. Allerdings müssen die Verbindungen zwischen den verschiedenen Aktionslinien und ihre gegenseitige Verstärkung deutlicher werden. Eine langfristige Strategie nachhaltiger Entwicklung muss noch erarbeitet werden. Einmal entwickelt, hängt ihr Erfolg entscheidend von der Umsetzung ab.

Der beabsichtigte Wandel erfordert das Handeln eines starken und leistungsfähigen Staates, der in der Lage ist, unvermeidbare Ungleichgewichte und für Übergangsphasen typische Engpässe vorherzusehen und mit ihnen umzugehen. Der Staat muss fähig sein, frühere Fehler zu reflektieren, systematisches Lernen in seinen Entscheidungsfindungsprozess zu integrieren und eine langfristige Perspektive zu verfolgen. Um stark und leistungsfähig zu sein, sollte er auf inklusive Lösungen abzielen und auf den Widerstand von Gruppen eingestellt sein, die an der Aufrechterhaltung des Status quo interessiert sind. Sein Handeln sollte sich nicht an der derzeit vorherrschenden Denkschule orientieren, nach der die ungleiche Verteilung von Reichtum zu einer unvermeidbaren Phase gehört, die schließlich zu einem ‚Durchsickern‘ führt.

Der Erfolg der Konferenz bei der Mobilisierung von Investitionen lässt daher einige wichtige Fragen offen: Wie kann der Wandel zu nachhaltiger Entwicklung sowohl die Probleme der Vergangenheit bewältigen als auch eine Zukunftsperspektive eröffnen? Wie können Investoren, die im Allgemeinen auf niedriges Risiko und hohen kurzfristigen Profit aus sind, in den Prozess eingebunden werden? Wie können solche Investitionen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und soziale Integration ausgerichtet werden? Wie kann die Regierung Fragen der Energiesicherheit angehen und dabei vermeiden, auf konventionelle Brennstoffe zu setzen? Allgemeiner gefragt, welche Schritte sollten Regierungen unternehmen, um staatliche Kapazität aufzubauen und sicherzustellen, dass künftiges Wachstum auf inklusiver Governance beruht?

Über die Autorin

Auktor (ehemals Vidican)

Weitere Expert*innen zu diesem Thema

Banerjee, Aparajita

Environmental and Resource Sociology, Public Policy 

Never, Babette

Politikwissenschaftlerin 

Pegels, Anna

Ökonomin