Das Africa Command nach dem ersten Jahr: von der „Pentagonisierung“ zu einem integrierten Ansatz in der US-Afrikapolitik?

Das Africa Command nach dem ersten Jahr: von der „Pentagonisierung“ zu einem integrierten Ansatz in der US-Afrikapolitik?

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Gänzle, Stefan
Die aktuelle Kolumne (2009)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 21.09.2009)

Bonn, 21.09.2009. Vor fast einem Jahr, am 1. Oktober 2008, hat ein neues militärisches Regionalkommando der USA seine Arbeit aufgenommen. Eines der Hauptziele besteht darin, zivile und militärische Aspekte in der US-Afrikapolitik stärker miteinander zu verbinden. Während es in dieser Hinsicht von einigen Beobachtern als ein neuartiges Experiment nach dem Ende des Kalten Krieges bezeichnet worden ist, ist das Africa Command (AFRICOM) gerade bei vielen afrikanischen Staaten auf heftige Kritik gestoßen, die mitunter im Vorwurf einer schleichenden Militarisierung der US-Afrikapolitik gipfelte. Bereits frühzeitig war AFRICOM mit Problemen konfrontiert, die deutlich werden lassen, vor welchen besonderen Herausforderungen die Zusammenarbeit von Akteuren an der Schnittstelle von Entwicklung und Sicherheit generell steht.

Mit der Einrichtung von AFRICOM passte die damalige Bush-Administration zunächst die Organisation ihrer Regionalkommandos an die nach 1989 aber auch 2001 veränderte politische Großwetterlage an. Hätte sie das Unternehmen lediglich als einen technischen Verwaltungsakt deklariert, wäre es vermutlich von der Öffentlichkeit nicht einmal bemerkt worden. Da bis dahin drei Regionalkommandos für Afrika zuständig waren, wäre ein solcher Reformschritt durchaus nachvollziehbar gewesen. Mit einer konzentrierten Ausrichtung auf den afrikanischen Kontinent, der seit 2001 auch zunehmend ins Blickfeld des globalen Antiterrorkampfes der USA gerückt war, sollte dem ökonomischen und sicherheitspolitischen Bedeutungszuwachs Afrikas Rechnung getragen werden. Vor allem aber bot sich damit die Möglichkeit, dem Verteidigungsministerium eine stärkere Rolle bei der Politikgestaltung selbst zuzuweisen. Um dieses Engagement zu rechtfertigen, wurde das Mandat von AFRICOM anfangs mit ehrgeizigen Zielen von entwicklungspolitischer Bedeutung geradezu überladen. Ja, es konnte sogar der Eindruck entstehen, AFRICOM sollte dauerhaft eine zentrale Koordinationsaufgabe im Rahmen der Afrikapolitik zufallen. Gleichzeitig geriet AFRICOM, aufgrund dieser über den militärischen Bereich hinausgehenden Ziele, unter einen selbst verschuldeten Erwartungsdruck.

Mit der Betonung der zivilen Komponente – das Kommando hat auch einen zivilen Stellvertreter im Kommandeursrang – und dem partnerschaftlichen wie auch ressortübergreifenden Ansatz sind durchaus zukunftsweisende Elemente in die Planung zu AFRICOM aufgenommen worden. Problematisch ist allerdings, dass bis heute gerade in diesen beiden Aufgabenbereichen erhebliche strukturelle Defizite und Schwierigkeiten zu beobachten sind: Erstens entspricht die Personalausstattung bei AFRICOM – insbesondere hinsichtlich der aus USAid und State Department entsandten Mitarbeiter – noch nicht den Sollzahlen. Weit verfehlt wurde das Ziel, rund ein Viertel der Planstellen mit primär aus dem Außenministerium bzw. USAID stammenden Zivilisten zu besetzen. Zweitens hat der partnerschaftliche Ansatz gegenüber im Entwicklungsbereich tätigen NGOs und Regionalorganisationen in Afrika bislang versagt. AFRICOM hat erst zu einem späten Zeitpunkt damit begonnen, afrikanische Regierungen und Organisationen über seine Aufgaben und Ziele ins Bild zu setzen. Es ist also nicht nur ein anti-amerikanischer Reflex vieler Afrikaner, dass kein Staat sich bereit erklärte, das Hauptquartier von AFRICOM zu beherbergen – mit der Ausnahme Liberias, welches den USA traditionell sehr eng verbunden ist. Selbst US-amerikanische NGOs und Dachverbände (z. B. Global Impact oder Inter Action) haben sich zurückhaltend gegenüber AFRICOM geäußert, da sie Nachteile befürchten, die aus einer zu großen Nähe entstehen könnten.

AFRICOM hat seit dem Amtsantritt von Verteidigungsminister Robert Gates, der Donald Rumsfeld ablöste und in die Obama-Regierung wechselte, auf diese Entwicklung mit einer noch stärkeren Fokussierung des Mandates und einer Betonung der militärischen Komponenten – insbesondere mit Blick auf Ausbildungshilfe – reagiert. Deutlich stärker müsste bei AFRICOM über Grundfragen diskutiert werden, die sich aus einer kooperativen Nähe von Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik ergeben, wie etwa im Bereich der Sicherheitssektorrefom. Aufgrund der bestehenden außenpolitischen Herausforderungen der USA im Irak und Afghanistan, ist allerdings nicht zu erwarten, dass in dieser Frage rasch eine Grundsatzentscheidung herbeigeführt werden kann.

Trotz dieser Anfangsschwierigkeiten kann AFRICOM dennoch grundsätzlich von einer enger werdenden inter-ministeriellen Kooperation profitieren. Dafür müssen die Ministerien selbst zu einer stärkern Koordination bereit sein. Eine in diesem Sinne mit dem Amtsantritt Obamas erfolgte Wiederentdeckung des Nationalen Sicherheitsrates und die Diskussionen um eine institutionelle Stärkung bzw. Aufwertung der Entwicklungszusammenarbeit in den USA sind als erste Schritte anzuerkennen. In jedem Falle ist es richtig, die in der Amtszeit von George W. Bush entstandene Sonderrolle des Pentagon in der US-amerikanischen Außenpolitik weiter zu reduzieren und das Primat der Außenpolitik gerade bei integrierten Ansätzen wiederherzustellen.

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