Der Welthandel vor der Abschottungsspirale?

Der Welthandel vor der Abschottungsspirale?

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Berger, Axel / Clara Brandi
Die aktuelle Kolumne (2017)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 19.01.2017)

Morgen wird Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA vereidigt und könnte das Welthandelssystem fortan in eine turbulente Abschottungsspirale stürzen. Mit dem Einzug Trumps im Weißen Haus wird ein aggressiver Merkantilismus in Washington salonfähig, der sich nicht nur gegen deutsche Autoproduzenten richtet, wie Trump in seinem jüngsten Interview deutlich machte. Er birgt für die Weltwirtschaft insgesamt enorme Risiken. Die Europäische Union und Deutschland sind daher gut beraten, sich auf das Schlimmste vorzubereiten.

Mit der Nominierung von Robert Lighthizer als US-Handelsbeauftragten deutet Trump an, dass er einen stark protektionistischen Kurs tatsächlich auch umsetzen möchte. Trump vertrat im Wahlkampf radikale handelspolitische Forderungen – und hat diese auch nach seiner Wahl nicht entscheidend abgeschwächt. So droht er, das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zu verlassen und fordert Zölle auf mexikanische und chinesische Produkte in Höhe von bis zu 45 Prozent. Diese Schritte wären angesichts global stark vernetzter Produktionsprozesse äußerst kurzsichtig: Jeder Dollar mexikanischer Exporte enthält rund 40 Cent an Vorprodukten aus den USA. Eine drastische Zollerhöhung der USA gegenüber dem Nachbarland Mexiko würde letztlich jedoch auf Kosten vieler Amerikaner gehen. Die Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft insgesamt würde sinken –und unter den Preiserhöhungen würden vor allem die Einkommensschwachen leiden.

Auch das Inkrafttreten des Kernstücks der Handelspolitik des scheidenden Präsidenten Obama, das Transpacific Partnership-Abkommen (TPP), will Trump verhindern. TPP wäre das weltweit größte Freihandelsabkommen und würde die USA mit dynamischen Märkten im asiatisch-pazifischen Raum verbinden – wohlgemerkt unter Ausschluss Chinas! Es ist paradox: Trump will einerseits Chinas Exporte in die USA eindämmen und verhindert andererseits das Abkommen, das zumindest der Rhetorik der Obama-Administration zufolge die handelspolitische Dominanz Chinas hätte eindämmen sollen. Durch das TPP-Vakuum in Asien zwingt Trump China die Führungsrolle im globalen Handelssystem geradezu auf.

Groß ist die Gefahr, dass es zu neuen Handelskriegen kommt. Natürlich könnten Mexiko und China gegen Zollerhöhungen Trumps Beschwerde bei der Welthandelsorganisation (WTO) einlegen. Aber diese Verfahren würden dauern – vor allem, weil das Streitschlichtungsverfahren der WTO durch zahlreiche Fälle überlastet ist. Es wäre wahrscheinlich, dass Mexiko und China zum Gegenschlag ausholen. China könnte zum Beispiel die Verträge mit dem US-Unternehmen Boeing aufkündigen. Eine Eskalation protektionistischer Maßnahmen wäre die Folge und die Grundfesten des Welthandelssystems, mithin die Welthandelsorganisation, würden erschüttert.

Um Schreckensszenarien zu verhindern, gilt es, Trump und sein Team in bestehende Strukturen einzubinden und seine radikalen Standpunkte abzuschwächen. Es muss viel Überzeugungsarbeit für das Argument geleistet werden, dass die Interessen der amerikanischen Arbeiter und Konsumenten effektiver gewahrt werden können, wenn die Trump-Administration nicht gegen, sondern mit ihren Partnern arbeitet. Strukturelle Veränderungen und Arbeitsplatzverluste drohen nicht nur durch internationalen Handel, sondern vor allem durch unaufhaltsame technologische Entwicklungen wie die Digitalisierung und Automatisierung der Weltwirtschaft. Wie aber sollen neue Regeln für solche Entwicklungen ohne ein funktionierendes Handelssystem international koordiniert entwickelt werden?

In Europa wurde in den letzten Jahren vor allem um das Kleingedruckte in der mit den USA geplanten Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) diskutiert. Angesichts der Positionen von Trump muss es jetzt wieder ums Grundsätzliche gehen: Welche Art von Handelsabkommen befürworten wir? Wie sollen die Verlierer der Globalisierung kompensiert werden? Wie kann die Globalisierung fairer gestaltet werden und das Vertrauen der Bürger wiedergewonnen werden?

Machen wir uns nichts vor, auch in Europa herrscht keine Einigkeit über diese Fragen. Nach dem Tauziehen um das Freihandelsabkommen mit Kanada, muss die europäische Handelspolitik auf neue Füße gestellt werden. Hierzu gehört die notwendige Verständigung im Kompetenzgerangel der Brüsseler Institutionen und der Mitgliedstaaten, wer Handelsabkommen verhandeln und ratifizieren darf. Erst dann wird Europa als Handelsmacht wieder ernst genommen – in Washington, aber auch in Peking. Es gilt, die Allianzen mit den Ländern zu stärken, die wie wir ein vitales Interesse an offenen Märkten und einem funktionierenden Welthandelssystem haben.

Deutschland, das in diesem Jahr die Führungsrolle in der G20 innehat, sollte sein hohes internationales Ansehen nutzen, um in diesen Fragen mit der neuen US-Administration in Dialog zu treten. Vor allem der G20-Gipfel im Juli in Hamburg bietet die Gelegenheit, auf höchster Ebene viele Gesprächsfäden zu unserem traditionellen Partner neu zu knüpfen. Aber auch auf Rückfragen des Geschäftsmanns, der ab morgen im Weißen Haus regieren wird, welche lukrativen „Deals“ die EU anbieten kann, sollte man spätestens dann in Berlin und Brüssel eine Antwort haben.

 

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