Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft: Wie es nach der UN-Klimakonferenz weitergehen muss

Die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft: Wie es nach der UN-Klimakonferenz weitergehen muss

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Brandi, Clara / Dominique Bruhn / Nannette Lindenberg
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 23.11.2015)

Bonn, 23.11.2015. In wenigen Tagen ist es so weit: während der UN-Klimakonferenz soll ein ambitioniertes Abkommen verabschiedet werden, um die Welt vor einem zu starken Temperaturanstieg zu schützen. Im Vorfeld mehren sich die Warnungen, dass die von den Ländern geplanten Minderungsbeiträge für Treibhausgasemissionen nicht ausreichen werden, um die Erderwärmung auf unter 2° C zu begrenzen. Damit einher geht der Appell, die Staaten mögen ihre Ambitionen erhöhen und auch genügend Klimafinanzierung für Entwicklungsländer zur Verfügung stellen. All dies ist richtig und wichtig, aber bei weitem nicht genug! Was wir für die Dekarbonisierung, also die Abkehr von der Nutzung kohlenstoffhaltiger Energieträger, benötigen, ist eine Reform der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Hierfür sind drei Stellschrauben zentral.

Preissetzung für Dekarbonisierung

Höhere Preise für Güter und Dienstleistungen mit hohem CO2-Ausstoß verstärken die Anreize, Emissionen zu senken. Deshalb brauchen wir einen globalen Kohlenstoffpreis. Einnahmen aus CO2-Steuern oder Emissionshandel können sogar weitere Entwicklungsziele, Energie- und Steuerreformen finanzieren. Auch beim Abbau von Subventionen für fossile Brennstoffe kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen werden die Preise nicht länger zu Lasten der Dekarbonisierung verzerrt: dem Klimaschutz und grünen Technologien liegen keine Steine mehr im Weg. Zum anderen werden staatliche Budgets entlastet. Einsparungen durch den Abbau von Subventionen können dazu genutzt werden, diese politisch schwierige Maßnahme durchzusetzen, z. B. indem Einkommenseinbußen der Armen kompensiert und Verlierer entschädigt werden. Auch Zahlungen für Ökosystem-Dienstleistungen können den Klimawandel begrenzen, indem sie Grundbesitzer oder Landwirte für den Erhalt von CO2-Speichern wie Wäldern und Böden entschädigen.

Handels- und Investitionsregeln

Die Regeln für internationalen Handel und Investitionen sollten ebenfalls dem Klimawandel Rechnung tragen. Trotz des geringen Fortschritts in den vergangenen Jahren bleibt die Welthandelsorganisation (WTO) ein Forum, in dem globale Regelwerke gestaltet und durchgesetzt werden. Durch den Abschluss der Doha-Runde könnten zukünftig verstärkt grüne Themen auf die Agenda gesetzt werden. Einige Vorreiter, die EU und 13 andere Staaten, preschen hier bereits voraus und bemühen sich, in Verhandlungen über ein Environmental Goods Agreement eine Einigung über den Abbau von Handelshemmnissen für Umweltgüter zu erreichen. Es zielt darauf ab, die Ergebnisse auf alle WTO-Mitglieder auszuweiten. Mit Hilfe dieser Güter sollen die Luft- und Wasserqualität verbessert, die Abfallbewirtschaftung erleichtert und ein Beitrag zur Erzeugung erneuerbarer Energien geleistet werden. Zudem gibt es einen Trend zur Stärkung von Umweltaspekten in Freihandels- und Investitionsabkommen: Viele der neuen Abkommen verpflichten die Beteiligten, Umweltstandards nicht abzusenken und räumen das Recht ein, weiterhin im Sinne der Umwelt zu regulieren. Insbesondere die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft TTIP hat durch ihre schiere Größe und die öffentliche Präsenz die Chance, eine Vorreiterfunktion bei der Verknüpfung von Handels-, Umwelt- und Klimazielen einzunehmen.

Gestaltung der Finanzmärkte

Die Finanzmärkte sind die dritte wichtige Stellschraube. Um langfristige, kohlenstoffarme Investitionen zu fördern, muss das internationale Finanzsystem so reformiert werden, dass kommerzielle Banken und institutionelle Investoren – zum Beispiel Staatsfonds, Pensionskassen und Versicherungen – verstärkt in kohlenstoffarme Projekte investieren. Aktuell ist dies aufgrund der derzeitigen Regulierung nicht oder nur eingeschränkt möglich. Hier müssen die Regulierungsbehörden nachbessern! Zudem können Finanzmarktakteure selbst durch freiwillige grüne Leitlinien für Investitionsentscheidungen einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Da es keinen globalen Kohlenstoffpreis gibt, kann ein ambitionierter fiktiver Preis für Kohlenstoff, ein sogenannter Schattenpreis, bei der Entscheidung über Investitionen in Unternehmen helfen. Anleger können durch die konsequente Einbeziehung von Klimarisiken in Ratings, Benchmarks und Indizes in einer nachhaltigen Investitionsstrategie unterstützt werden. Öffentliche Geber und Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen, z. B. Entwicklungsbanken, sollten zudem Investoren durch die Bereitstellung von Instrumenten zur Risikominderung motivieren, in grüne Kapitalanlagen zu investieren. Die empfundenen Risiken dieser Investitionsmöglichkeiten sind aufgrund mangelnder Information oftmals sehr viel höher als die tatsächlichen Risiken.

Ambitionierte Ansprüche an das Pariser Klimaabkommen zu stellen, ist nur der erste Schritt. Hinreichend wird dies aber nicht sein, denn für eine Reform der weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen weitaus mehr Akteure in die Verantwortung genommen werden. Nach Paris muss es weitergehen: Andere Institutionen wie die G20, Zentralbanken und die WTO müssen den Stab übernehmen und in ihrem jeweiligen Einflussbereich die Weichen für ein grünes Umdenken stellen!

Über die Autor*innen

Brandi, Clara

Ökonomie und Politikwissenschaft

Brandi
Lindenberg

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