Die aktuelle Kolumne

Von Bonn nach Belém

Die Glaubwürdigkeit der EU erfordert mutige Klima- und Finanzzusagen

Wagner, Niklas / Mariya Aleksandrova
Die aktuelle Kolumne (2025)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 14.07.2025

Bonn, 14. Juli 2025. Finanzierung ist entscheidend für die Umsetzung der ersten Globalen Bestandsaufnahme des Pariser Abkommens – das muss die EU anerkennen. Sie muss zudem einen ambitionierten NDC vorlegen, der ihrer Verantwortung und der Dringlichkeit der Klimakrise gerecht wird.

Angesichts der nächsten rekordverdächtigen Hitzewelle in Europa und dem erstmaligen vorübergehenden Überschreiten der 1,5-Grad-Schwelle im globalen Durchschnitt sind wirksame Klimaschutzmaßnahmen dringender denn je. Dennoch wurde die jüngste Runde der UN-Klimaverhandlungen in Bonn von einem altbekannten Hindernis überschattet: unzureichende Klimafinanzierung und ein damit einhergehender Vertrauensverlust in den multilateralen Prozess.

Als 62. Tagung der Nebenorgane (SB 62) bekannt, markierten die Verhandlungen in Bonn den ersten formellen Meilenstein auf dem Weg zur Klimakonferenz COP 30 im November in Belém. Erneuerte, aktualisierte und ambitionierte national festgelegte Beiträge (NDCs) mit einem Zeithorizont bis 2035 werden im Zentrum der COP30 stehen, da die Staaten ihre Klimaziele mit den Vorgaben des Pariser Abkommens in Einklang bringen müssen. Doch statt Aufbruchsstimmung spiegelten die zwei Wochen von SB62 eine tiefe Systemkrise wider. Der anhaltende Unmut über das im November letzten Jahres auf der Klimakonferenz in Baku verabschiedete Klimafinanzierungsziel war in verschiedenen Verhandlungssträngen spürbar. Während die Nebenorgane traditionell Fachfragen klären sollen, um die Weichen für die politische Entscheidungsfindung auf den COPs zu stellen, kam diesmal selbst die fachliche Arbeit durch ungelöste Finanzierungsfragen ins Stocken. Das wurde vor allem bei den Diskussionen über das Globale Anpassungsziel (GGA) deutlich: Die Arbeit an einem Indikatorensystem zur Messung von Bedarf und Fortschritt verkommt ohne die nötige Finanzierung zur bloßen Symbolpolitik. Ohne konkrete Zusagen erscheinen vielen Entwicklungsländern technische Ergebnisse eher als symbolisch denn als umsetzbar.

Brasilien plant, als COP30-Vorsitz klimapolitische Führungsstärke zu zeigen. Mit dem Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen – und damit aus wichtigen Klimaverhandlungen – wächst der Druck auf die EU, bei der Klimapolitik und der Klimafinanzierung eine Führungsrolle zu übernehmen. Die Entwicklungen der letzten zwei Wochen haben Europa jedoch deutlich ausgebremst. Die Europäische Kommission wurde für ihren Vorschlag kritisiert, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 % gegenüber 1990 zu senken, um die internationalen Klimaverpflichtungen zu erfüllen. Die Kritik entzündete sich dabei an Kohlenstoffmärkten und Ausgleichsmechanismen, die zu einer Verlagerung der Verantwortung und potenziellen Verzögerungen beim Erreichen der Klimaziele führen könnten. Nur wenige Tage später lehnte das Europäische Parlament, mit Unterstützung rechter Parteien und der Europäischen Volkspartei, einen Eilantrag zur Beratung über den Vorschlag ab. Nun sollen ausgerechnet die rechtsextremen „Patrioten für Europa“ – notorische Klimaskeptiker – die Verhandlungen über das neue Klimaziel der EU leiten. Die klimapolitische Glaubwürdigkeit der EU in Belém – einschließlich der Vorlage eines ambitionierten und fristgerechten NDC – steht auf dem Spiel.

Europa muss unverzüglich handeln, um seine Glaubwürdigkeit als global führender Akteur zu festigen – insbesondere in einer Zeit, in der das UN-Klimaregime unter zunehmendem Druck steht und Klimafinanzierung immer stärker geopolitische Machtverhältnisse verschiebt. Erstens muss Europa einen neuen, ambitionierten NDC vorlegen, welcher seiner historischen Verantwortung gerecht wird, verbindliche nationale Maßnahmen anstelle von internationalen Kohlenstoffgutschriften vorsieht und die Ergebnisse der ersten Globalen Bestandsaufnahme (GST) von 2023 in Dubai berücksichtigt. Als erste umfassende Bewertung des kollektiven Fortschritts bei der Umsetzung der Ziele des Pariser Abkommens bestätigte die GST die allbekannte Tatsache, dass die bisherigen Bemühungen nicht ausreichen, um die Temperatur- und Resilienzziele zu erreichen. Die GST fordert eine Verdreifachung der Kapazitäten für erneuerbare Energien, eine Verdopplung der Energieeffizienz und einen schrittweisen Kohleausstieg. Sie ist der erste UN-Klimabeschluss, der auf eine Abkehr von fossilen Brennstoffen drängt und betont, dass die Länder ihre Anpassungsbemühungen dringend beschleunigen müssen.

Zweitens muss sich die EU das Thema Klimafinanzierung auf der COP30 und darüber hinaus konstruktiv auf mehreren Verhandlungsebenen zu eigen machen. Viele Länder des Globalen Südens empfinden die steigenden Militärausgaben in Europa und den USA bei einer gleichzeitig unzureichenden Klimafinanzierung als Heuchelei und als Verletzung der im Pariser Abkommen eingegangenen Verpflichtungen der Industrieländer.

Die COP30 ist entscheidend, um das Vertrauen in das Pariser Abkommen wiederherzustellen, und die EU und Deutschland dürfen diese Chance nicht verspielen. Deutschland sollte sich proaktiv an den Verhandlungen über einen ehrgeizigen NDC der EU und eine solide Klimafinanzierung beteiligen. Dabei geht es nicht nur um weitreichende Klimamaßnahmen, sondern auch um die Stärkung des technischen Fortschritts und des Multilateralismus. Die EU und Deutschland müssen ihre Führungsrolle beim Klimaschutz sowohl als geopolitische Verantwortung als auch als strategisches Gebot begreifen. Belém muss zum Wendepunkt werden.

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