Klimadämmerung

Die UN-Klimakonferenz von Madrid als Wegweiser der internationalen Klimapolitik

Die UN-Klimakonferenz von Madrid als Wegweiser der internationalen Klimapolitik

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Bauer, Steffen / Clara Brandi
Die aktuelle Kolumne (2019)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 25.11.2019

Bonn, 25.11.2019. Der Wirbel um die kurzfristige Verlegung der diesjährigen UN-Klimakonferenz von Santiago de Chile nach Madrid hat sich gelegt. Die Verhandlungsdelegationen können sich nun auf das Wesentliche konzentrieren: Sie müssen die Vorbereitungen zur verbindlichen Umsetzung des Pariser Klimaabkommens abschließen, die 2020 beginnen soll.

Ein großer Teil der institutionellen und prozeduralen Vorbereitungen zur Umsetzung des Pariser Abkommens wurde bereits geleistet: die Verabschiedung des „Regelbuchs von Katowice“ durch die COP24. Doch einiges blieb strittig. Die Regelung der sogenannten Marktmechanismen etwa (wie zum Beispiel der Emissionshandel) wurde ausgeklammert. Diese betreffen den umstrittenen Artikel 6 des Pariser Abkommens. Kritische Beobachter aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und den Medien werden zu Recht vor allem darauf schauen, ob es hier zu einer Einigung kommen wird.

Eine Einigung zu marktbasierten Mechanismen darf jedoch kein Selbstzweck sein. Sollte in Madrid keine Einigung erreicht werden, wäre dies im Zweifel das geringere Übel gegenüber einer schwachen Regelung, die den Zielen des Pariser Abkommens zuwiderläuft.

Denn tatsächlich bieten die zur Diskussion stehenden Marktmechanismen vielversprechende Hebel für einen effizienten und deutlich ambitionierteren Klimaschutz. Sie können insbesondere helfen, möglichst viel Emissionsminderung zu möglichst niedrigen Kosten zu verwirklichen. Dies ist gleichermaßen im Interesse nationaler Regierungen wie unzähliger Unternehmen. Eine laxe – von Verfechtern wie Brasilien euphemistisch „flexibel“ genannte – Ausgestaltung der Regeln würde Mitnahmeeffekte begünstigen und perverse Anreize schaffen, um etwa durch den Handel mit Emissionsrechten vor allem Geld zu verdienen oder das Ambitionsniveau nationaler Klimapolitik zu senken. Das übergeordnete Ziel der Emissionsminderung würde effektiv untergraben werden. Es ist essentiell, dies zu verhindern.

Es gilt deshalb, Brasilien und andere Bremser davon zu überzeugen, dass Kohlenstoff-Zertifikate nicht doppelt – im verkaufenden und im ankaufenden Land – als Emissionsminderung angerechnet werden können. Ebenso wenig darf der internationale Emissionshandel als Nullsummenspiel gestaltet werden: Käuferländer sollten gekaufte Zertifikate nur zu einem Teil auf ihre Emissionsbilanz anrechnen dürfen. Überhaupt müssen die verfügbaren Zertifikate knappgehalten werden, um substanzielle Netto-Emissionsminderungen bewirken zu können. Ein wesentlicher Schritt wäre, die Anrechenbarkeit alter Zertifikate aus der Zeit des überholten Kyoto-Protokolls strikt zu unterbinden. Nicht zuletzt müssen unerwünschte soziale und ökologische Nebenwirkungen der Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigt werden, die dem Zertifikate-Handel zugrunde liegen, aber vielerorts zu Lasten etwa indigener Bevölkerungsgruppen oder der Artenvielfalt gehen können. Die ursprünglichen Kyoto-Mechanismen, wie der Clean Development Mechanism (CDM) oder auch der Mechanismus zur Vermeidung von Entwaldung REDD+ hatten hier große Schwachpunkte, was ihnen massive Kritik eingebracht hat.

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die EU sich als starker Fürsprecher „robuster“ statt „flexibler“ Regeln positioniert hat, auch wenn sie damit eine kurzfristige Einigung aufs Spiel setzt und eine mögliche Einigung aufschiebt. So bietet die COP25 der neuen EU-Kommission die Chance, zu zeigen, dass ihre hehren klimapolitischen Ankündigungen und der von Ursula von der Leyen propagierte „European Green Deal“ ernst gemeint sind und die EU ihren zuletzt wenig glaubwürdigen Führungsanspruch erneuern will.

Zunehmend rücken vor dem Hintergrund der jüngsten Berichte des Weltklimarats IPCC auch die Dringlichkeit von Resilienz und Anpassung gegenüber den Folgen eines nicht mehr zu vermeidenden Klimawandels in den Fokus. Hier verdient in Madrid vor allem die anstehende Überprüfung des 2013 beschlossenen Warschauer Internationalen Mechanismus für Schäden und Verluste (WIM) mehr politische wie öffentliche Aufmerksamkeit. Sie sollte eine erkennbare Stärkung der internationalen Handlungsfähigkeit zu Fragen klimabedingter Schäden und Verluste (Loss and Damage) zur Folge haben. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung im Streben nach Klimagerechtigkeit, nicht zuletzt für die große Zahl armer Entwicklungsländer und kleiner Inselstaaten, die kaum zur Verursachung des Klimawandels beigetragen haben, aber besonders dramatisch von dessen Folgen betroffen sind.

COP25 markiert somit die Schwelle zu einer neuen Ära der internationalen Klimapolitik, die so oder so im kommenden Jahr beginnen wird. Sie stellt also die Weichen und Signale für das klimapolitische Schlüsseljahr 2020, in dem nicht nur die Umsetzungsphase des Pariser Abkommens verbindlich beginnt, sondern die Staaten infolgedessen auch ihre nationalen Klimapläne verbessert vorlegen und um ambitionierte Langfriststrategien ergänzen müssen Kurzum, es ist Zeit zu handeln.

Über die Autor*innen

Bauer, Steffen

Politikwissenschaftler

Bauer

Brandi, Clara

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