Globale Wasser-Governance

Die UN-Wasserkonferenz – Wasser endlich als globales Gemeingut behandeln!

Die UN-Wasserkonferenz – Wasser endlich als globales Gemeingut behandeln!

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Dombrowsky, Ines / Annabelle Houdret / Olcay Ünver
Die aktuelle Kolumne (2023)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), (Die aktuelle Kolumne vom 20.03.2023)

Bonn, 20. März 2023. Die UN-Wasserkonferenz im März 2023 sollte den Grundstein für eine bessere Governance der Wasserressourcen als globales Gemeingut legen, idealerweise durch eine von den Vereinten Nationen beauftragte Multiakteursplattform für Wasser.

Vom 22. bis 24. März 2023 findet die erste globale Wasserkonferenz der Vereinten Nationen (UN) seit 1977 statt. Die Umsetzung der wasserbezogenen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) ist derzeit dramatisch verzögert; beim derzeitigen Tempo wird weniger als die Hälfte der Länder die Zielvorgaben für die Trinkwasserversorgung erreichen, und nur wenige mehr haben bisher ein integriertes Wasserressourcen-Management umgesetzt, um die Konkurrenz unterschiedlicher Wassernutzer zu vermitteln. Die Konferenz soll die Fortschritte der UN-Wasseraktionsdekade (2018–2028) bewerten und weitere Maßnahmen anstoßen, die das Ziel der Dekade - eine nachhaltige Entwicklung und ein integriertes Management von Wasserressourcen als Dreh- und Angelpunkt der  SDGs - umsetzen. Darüber hinaus waren Akteure aus dem Wassersektor eingeladen, innovative Ideen – sogenannte „Game Changer“ – für eine beschleunigte Umsetzung einer Wasser-Aktionsagenda anzukündigen.

Schwächen der globalen Wasser-Governance

Die Konferenz findet zu einer Zeit statt, in der die globale Wasser-Governance stark zersplittert und nicht ausreichend kohärent und koordiniert ist. Es gibt verschiedene Foren und Initiativen, die zwar unterschiedliche Befürworter haben, denen es aber an staatlicher Legitimität fehlt. Wasserprobleme wie Dürren oder die Verschmutzung von Flüssen und Trinkwasser treten auf zwar lokaler Ebene und grenzüberschreitend auf, aber sie erfordern aus zwei Gründen globale Lösungen. Erstens wirken sich globale Faktoren wie der Klimawandel, der demografische Wandel oder der Handel mit wasserintensiven Gütern auf lokale Wasserressourcen aus, können aber nicht allein auf lokaler Ebene angegangen werden. Zweitens kann die Summe einzelner lokaler und regionaler Wasserprobleme die Stabilität und Resilienz des gesamten Planeten gefährden. Weil Süßwasser das gesamte Erdsystem stabilisiert, ist es ein globales Gemeingut. Es gibt jedoch kein globales Regime wie etwa die UN-Konventionen zum Schutz des Klimas oder der biologischen Vielfalt, um den Umgang mit Wasser als globalem Gemeingut zu regeln: Es gibt kein von den UN beauftragtes politisches Forum zum Thema Wasser. Bestehende Multi-Stakeholder-Plattformen wie die Weltwasserforen haben kein zwischenstaatliches Mandat. UN-Water koordiniert als ressortübergreifender Mechanismus 35 UN-Organisationen im Bereich Wasser, berichtet aber nicht an die Mitgliedsstaaten. Die jährlichen Weltwasser-Entwicklungsberichte der UNESCO werden von den Mitgliedsstaaten nicht validiert, und das verfügbare Wissen über Wasser wird in politischen Entscheidungen nicht ausreichend umgesetzt. Darüber hinaus wird die Rolle des Privatsektors in der Wasser-Governance kontrovers diskutiert, und die Zivilgesellschaft ist bei Entscheidungen im Bereich Wasser nur unzureichend vertreten. All dies unterstreicht, wie wichtig es ist, Wasser als globales Gemeingut zu behandeln.

Reform der globalen Wasser-Governance

Auch das Hintergrundpapier der UN-Wasserkonferenz 2023 zum interaktiven Dialog über die Wasserdekade schlägt eine Reform der globalen Wasser-Governance vor. Dazu gehören die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Wasser bei den UN, regelmäßige zwischenstaatliche Treffen zum Thema Wasser innerhalb der UN, die Stärkung der Rolle von UN-Water und mehr Kohärenz im Umgang mit der Ressource innerhalb des UN-Systems. In dem Papier wird auch eine bessere Koordinierung mit der Agenda 2030, dem Pariser Abkommen, dem Sendai-Rahmenwerk zur Katastrophenvorsorge und der New Urban Agenda vorgeschlagen, z. B. durch die Einführung von Konferenz-Segmenten zum Thema Süßwasser. Solche Reformen wären wegweisend, doch ist derzeit unklar, ob die Vorschläge aufgegriffen werden. Bisher haben mehrere Länder Reformen der globalen Wasser-Governance blockiert, weil sie ihre Souveränität in Gefahr sahen. Wir fordern daher die Ko-Vorsitzenden der Konferenz auf, diese Reformvorschläge in ihren Konferenzbericht aufzunehmen, damit sie auf dem Hochrangigen Politischen Forum für nachhaltige Entwicklung der UN im Juli weiterverfolgt und den Grundstein für eine gut koordinierte Umsetzung legen können.

Darüber hinaus wäre es wichtig, Politik und Wissenschaft besser zu vernetzen, wie es die Initiative Intergovernmental Science-Policy Platform for Water and Sustainability vorschlägt. Eine weitere vielversprechende Initiative ist „Global Scaffolding for Water Policy Making“ (dt. : Globales Gerüst für die Gestaltung der Wasserpolitik), die sich mit den politischen Grundsätzen für die Lösung der gravierendsten Wasserprobleme befasst.

Neben diesen Vorschlägen könnte eine von den Vereinten Nationen geleitete Multiakteursplattform einen noch umfassenderen Ansatz verfolgen: sie könnte die Diskussionen über unterschiedliche Lösungen von Wasserproblemen transparenter machen, diese direkt einem Praxistest durch die Zivilgesellschaft und den Privatsektor unterziehen, und damit die Unterstützung möglichst vieler Akteure für Lösungen gewinnen. Der Ausschuss für Welternährungssicherheit (CFS) oder der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft für eine Umgestaltung des Ernährungssystems können hier als Vorbild dienen. Die Multiakteursplattform könnte einen Rahmen für die bereits erwähnten Initiativen bieten und UN-Water stärken, damit alle UN-Initiativen gemeinsam und kohärent umgesetzt werden.

Die internationale Gemeinschaft hat nun nach 46 Jahren eine einmalige Gelegenheit, diese Initiativen für eine globale Wasser-Governance koordiniert voranzutreiben und den überfälligen Kipppunkt einzuleiten.


Dr. Ines Dombrowsky ist Ökonomin und Programmleitung des Forschungsprogramms "Umwelt-Governance und Transformation zur Nachhaltigkeit".

Dr. Annabelle Houdret ist Politikwissenschaftlerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm "Umwelt-Governance und Transformation zur Nachhaltigkeit". Sie ist Speaker des Bonn Water Network.

Dr. Olcay Ünver ist Professor und Senior Global Futures Scientist an der Arizona State University, Mitglied der Water Policy Group, Senior Water Advisor bei der FAO und der UNESCO sowie Industry Fellow am Australian Rivers Institute. Er ist seit 30 Jahren bei öffentlichen Institutionen tätig, hatte bei der FAO, dem World Water Assessment Programme (WWAP) von UN-Water und dem Programm Office on Global Water Assessment der UNESCO Führungspositionen inne und war stellvertretender Vorsitzender von UN-Water.

Über die Autor*innen

Dombrowsky, Ines

Ökonomin

Dombrowsky

Houdret, Annabelle

Politikwissenschaftlerin

Houdret

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