Ebola: Mehr als ein Gesundheitsproblem!

Ebola: Mehr als ein Gesundheitsproblem!

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Leininger, Julia
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 24.09.2014)

Bonn, 24.09.2014. Die Ebola-Krise in Westafrika hat ein katastrophales Ausmaß angenommen. Die Zahl der Erkrankten verdoppelt sich alle drei Wochen. Ausgehend von derzeit geschätzten 2.600 Erkrankten würde diese Zahl bis Anfang 2015 bei gleichbleibender Entwicklung auf mindestens 166.000 ansteigen. Es kann noch schlimmer kommen. Bislang wissen wir wenig darüber, wie sich die Krankheit auf dem Land ausbreitet. In Liberia, Sierra Leone und Guinea sind die Regierungen und Hilfsorganisationen mit der Krisenbewältigung überfordert. Schwache Gesundheitseinrichtungen, schlecht ausgebildetes Personal und verspätete Hilfeleistungen aus dem Ausland verschärfen die Situation. Hilfsorganisationen wie die Weltgesundheitsorganisation oder Ärzte ohne Grenzen warnen, dass übliche Schutzmaßnahmen versagen.

Demokratie als langfristige Medizin

Informationen über einfache Hygienemaßnahmen, etwa das Händewaschen, können in der Krise Leben retten. Sendungen im lokalen Radio und internetbasierte Medien helfen, diese wichtigen Informationen zu verbreiten. Hat der Staat keine Möglichkeiten, die Bevölkerung zu schützen, dann springt sehr häufig die Zivilgesellschaft ein. Vereine und religiöse Organisationen warnen vor der Gefahr. Beispielsweise ist auf den Straßen der senegalesischen Hauptstadt Dakar die Rap-Gruppe „Y en a marre“ (dt.: Wir haben genug) jüngst wieder zu hören. Sie hat das Lied „Stop Ebola“ herausgebracht. Es warnt vor Ebola und besingt notwendige Vorbeugemaßnahmen. Soziale Mobilisierung wie diese ist in Krisen aber nur dann möglich, wenn sich die Menschen in den betroffenen Gesellschaften frei äußern, organisieren und angstfrei leben können.

Mangelnde politische Freiheit und Misstrauen gegenüber dem Staat erklären auch, warum die Eindämmung der Krankheit bislang so schleppend verlaufen ist. In Liberia und Sierra Leone hat der Bürgerkrieg bis 2003 nicht nur Häuser, staatliche Einrichtungen und Straßen zerstört, sondern auch den sozialen Zusammenhalt. In Guinea herrschten bis vor kurzem Diktatoren. Sie haben nicht nur gesellschaftliches Engagement im Keim erstickt, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Staatsapparat zugrunde gerichtet. So blieb auch das Vertrauen in die Helferinnen und Helfer im Rahmen von Ebola-Kampagnen aus. Häufig flüchten Menschen vor ihnen, weil sie als Repräsentanten des Staates und damit als Bedrohung wahrgenommen werden. In Kontexten wie diesen ist kaum zu erwarten, dass soziale Mobilisierung systematisch zur Krisenbewältigung eingesetzt werden kann.

Jetzt schnell handeln und langfristig denken

Die internationale Staatengemeinschaft hat zu langsam auf den seit März 2014 bekannten Ebola-Ausbruch reagiert. Das gilt auch für Deutschland. Gründe hierfür gibt es viele: Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes hat nicht rechtzeitig gewarnt und die relevanten Ministerien für eine kohärente Strategie gewinnen können. Das mag auch daran liegen, dass die deutschen Kapazitäten aufgrund massiver Krisen wie in Syrien oder der Ukraine stark ausgelastet sind. Zudem war internationale Gesundheitskooperation bislang keine Stärke Deutschlands. Zwar verfügt Deutschland mit dem Robert-Koch- und dem Bernhard-Nocht-Institut über international vernetzte, exzellente mikrobiologische und medizinische Forschung. Auch die Bundeswehr baut seit 2013 ihren Sanitätsdienst aus. Doch dies kommt für die akute Ebola-Krise zu spät.

Wenn Deutschland seine neue Rolle als Gestaltungsmacht in der Welt tatsächlich wahrnehmen will, dann muss die Bundesregierung ihr Profil in der Ebola-Krise schärfen. Bislang ist aber keine Strategie zu erkennen, die über einen Reaktionismus auf die immer schlimmer werdende Situation in Liberia, Sierra Leone und Guinea hinausgeht. Eine Gesamtstrategie der Bundesregierung muss die Fähigkeiten unterschiedlicher Ministerien gezielt einbinden: Kurzfristig ist die Bundeswehr gefordert, um sich in der akuten Krise noch mehr als bislang an Luftbrücken und mit ihrem Sanitätsdienst der Bundeswehr zu beteiligen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und das Auswärtige Amt können im Rahmen internationaler Zusammenarbeit und Diplomatie ihren Beitrag leisten. Denn in diesen Ländern geht es darum, den Aufbau von funktionierenden Gesundheitssystemen zu unterstützen und Demokratie zu fördern.

Prävention ist nicht nur in den Krisenstaaten, sondern auch in den Grenzländern zu Guinea – Elfenbeinküste, Mali und Senegal – notwendig. Die naive Vorstellung, dass die Gesellschaften hier durch Landesgrenzen voneinander abgeriegelt sind, entspricht kaum der Realität. Die Grenzen verlaufen größtenteils durch ländliche Gebiete, teils durch Dörfer. Es besteht hier reger Austausch, der für die Ausweitung von Ebola relevant sein kann. Darum sollten die Menschen und die Staaten in den betroffenen Grenzländern besser auf Ebola-Fälle vorbereitet werden. Deutschland kann hier mit den Netzwerken politischer Stiftungen und der bereits existierenden, staatlichen Zusammenarbeit mit Kommunen einen relevanten Unterschied für die Aufklärungsarbeit machen.

Über die Autorin

Leininger, Julia

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