Ein europäisches Investitionsabkommen mit China: Begrenzte Wirkung, aber globale Bedeutung

Ein europäisches Investitionsabkommen mit China: Begrenzte Wirkung, aber globale Bedeutung

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Berger, Axel
Die aktuelle Kolumne (2013)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 07.10.2013)

Bonn, 07.10.2013. In der Debatte über das transatlantische Freihandelsabkommen ist eines untergegangen: Die Europäische Union (EU) wird bald auch mit China Verhandlungen aufnehmen. Am 18. Oktober werden die EU-Mitgliedstaaten das Mandat für die Aushandlung eines internationalen Investitionsabkommens mit China erteilen. Peking erhofft sich von diesem Abkommen vor allem eine Vereinheitlichung des Flickenteppichs der bilateralen Abkommen, die China mit den EU-Mitgliedsstaaten abgeschlossen hat. Für die EU steht die Öffnung neuer Märkte für europäische Investoren im Vordergrund. Die Bedeutung der Verhandlungen zwischen der EU und China geht allerdings über das bilaterale Verhältnis hinaus. Ein künftiges europäisch-chinesisches Investitionsabkommen wird Teil eines sich herausbildenden Machtdreiecks zwischen der EU, China und den USA sein, in dem die globalen Investitionsregeln neu definiert werden.

Investitionsabkommen folgten traditionell einer einfachen Logik: Sie sollten westliche Investitionen in politisch instabilen Entwicklungsländern rechtlich absichern und damit auch zu mehr Investitionen in diesen Ländern führen. Auch mit China haben, außer Irland, alle EU-Mitgliedsstaaten Abkommen geschlossen, um ihre Investitionen im „Reich der Mitte“ zu schützen. Diese Abkommen schützen ausländische Investoren typischerweise vor diskriminierender und unfairer Behandlung, garantieren freien Kapitaltransfer und regeln direkte und indirekte Enteignungen. Zudem erhalten ausländische Investoren die Möglichkeit, Vertragsverletzungen direkt vor transnationalen Schiedstribunalen zu verhandeln, übrigens unter Umgehung des Rechtssystems des Gastlandes.

Ein Bereich, der in traditionellen Investitionsabkommen nicht geregelt wurde, ist die Liberalisierung des Marktzugangs. Gastländer wie China haben somit nach wie vor die Möglichkeit, ausländische Investoren in der Vorinvestitionsphase einzuschränken. Aus Sicht der EU soll ein neues Abkommen mit China diese Lücke schließen. Zusätzlich zu den hohen Schutzstandards der bestehenden bilateralen Verträge der Mitgliedstaaten soll ein EU-China-Investitionsabkommen zu einer weiteren Marktöffnung für europäische Unternehmen beitragen. Zudem ist zu erwarten, dass die EU auch Regeln gegen Leistungsanforderungen wie erzwungenen Technologietransfer und einem vorgeschriebenen lokalen Wertschöpfungsanteil verankern möchte. Die EU wird auch mehr Transparenz von Staatsunternehmen einfordern. Kann ein solches Abkommen zu mehr Investitionsflüssen führen, wie von beiden Seiten erhofft?

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass Investitionsabkommen mit Marktzugangsregeln Investitionen befördern. Für ausländische Investoren gehört die EU zu den offensten Volkswirtschaften, wogegen China eine Reihe von Marktzugangsbeschränkungen aufrecht erhält. Die neue chinesische Führung unter Präsident Xi Jinping und Premier Li Keqiang hat sich ein ambitiöses Reformprogramm vorgenommen, das zu einem weitreichenden Abbau dieser Investitionsbarrieren führen soll. Ein Pilotprojekt wird zurzeit in Shanghai vorbereitet, das zu einer Freihandelszone erklärt werden soll. Ein EU-China-Investitionsabkommen erhöht den Druck auf China, diese Reformen tatsächlich auch umzusetzen. Profitieren würden vor allem europäische Investoren in China.

Dieses Abkommen sollte allerdings Die aktuelle Kolumnenicht nur einseitig aus der Perspektive europäischer Investoren in China betrachten werden. Seit einigen Jahren investieren chinesische Unternehmen vermehrt auch in der EU. Ein EU-China-Investitionsabkommen wird allerdings nicht zu einem bedeutsamen Anstieg chinesischer Investitionen führen. Denn sie profitieren bereits heute schon von einem freien Marktzugang, da die EU den Grundsatz der Kapitaltransferfreiheit auch gegenüber Drittstaaten anwendet. Daher wird die Konsolidierung von 26 unterschiedlichen bilateralen Abkommen zu einem einheitlichen Investitionsabkommen vermutlich nicht zu mehr Investitionen führen. Denn die Herausforderungen chinesischer Investoren in Europa haben nichts mit rechtlicher Unsicherheit zu tun, sondern beruhen vielmehr auf ihrer mangelnden Erfahrung, in einem fremden – und zudem stark regulierten – Markt zu operieren. Will die EU chinesische Investoren anlocken, sollte sie deshalb nicht zu viel Hoffnung in ein Investitionsabkommen legen, sondern vielmehr ihre Investitionsfördermaßnahmen gegenüber China vereinheitlichen und ausbauen.

Wenn ein EU-China Investitionsabkommen nicht zu mehr chinesischen Investitionen in der EU führen wird und lediglich die geplanten Marktöffnung in China flankiert, worin liegt dann dessen eigentliche Bedeutung?

Das Abkommen ist eine Achse des sich herausbildenden Dreiecks globaler Investitionsregeln. China verhandelt nämlich seit einigen Jahren auch mit den USA über ein Investitionsabkommen, das ähnlich ausgestaltet werden soll wie das europäisch-chinesische Abkommen. Zudem führen die USA und Europa Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen, das auch ein umfassendes Kapitel über Investitionen enthalten wird. In allen drei Abkommen werden Regeln verhandelt, die zu einer weiteren Liberalisierung von Investitionsflüssen führen sollen. Regeln für den Marktzugang, das Verbot von Leistungsanforderungen und Transparenzbestimmungen für Staatsunternehmen werden somit zum globalen Standard erhoben. Einerseits werden andere Industrieländer ähnliche Liberalisierungsschritte von China einfordern. Wichtiger noch, die EU und USA werden ihre Investitionsabkommen mit China und das transatlantische Freihandelsabkommen als Blaupause für Abkommen mit Entwicklungsländern verwenden.

Es sollte im eigenen Interesse von Unternehmen und Entscheidungsträgern der drei Wirtschaftsmächte liegen, die Verhandlungen auf ein breiteres Fundament zu stellen und die Interessen derjenigen Länder zu berücksichtigen, die nicht an den Verhandlungstischen sitzen. Transnationale Unternehmen operieren heutzutage im Rahmen von globalen Wertschöpfungsketten, die weit über das beschriebene Dreieck hinausreichen. Aktuelle Entwicklungen in Schwellenländern wie Südafrika und Indien zeigen, dass diese einer weiteren Liberalisierung ihrer Investitionspolitiken eher ablehnend gegenüberstehen werden. Die Investitionsverhandlungen zwischen der EU, den USA und China sollten somit von einem globalen Dialogprozess über Investitionen begleitet werden, der zu einem globalen Konsens über Investitionspolitiken beiträgt.

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