Ein Klimaabkommen erreichen und den Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft fördern

Ein Klimaabkommen erreichen und den Übergang zu einer ökologischen Wirtschaft fördern

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Scholz, Imme / Niels Keijzer / Neil Bird / Alejandro Guarín
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 04.08.2014)

Bonn, London, 04.08.2014. Am 1. September wird die European Think Tanks Group einen wichtigen Bericht vorlegen, der sich an die neue Führung der Europäischen Union wendet. Er trägt den Titel „Unser gemeinsames Interesse: Warum Europas Probleme globale Lösungen benötigen und globale Probleme europäisches Handeln erfordern“ („Our Collective Interest: Why Europe’s problems need global solutions and global problems need European action“). Der Bericht fordert ein neues Verständnis für die globale Rolle der EU und insbesondere einen neuen Ansatz für internationale Entwicklungszusammenarbeit. Die Kernbotschaft ist, dass die Ziele der EU für ihre eigenen Bürger – Wohlstand, Frieden und ökologische Nachhaltigkeit – von ihrer globalen Verantwortung und ihrem Handlungspotenzial nicht getrennt werden können. Wir sehen fünf globale Herausforderungen, bei denen wir denken, dass die EU einen komparativen Handlungsvorteil hat und einen positiven Beitrag zur Zukunft der Menschheit leisten könnte. Diese sind: Handel und internationale Finanzen; ökologische Nachhaltigkeit; Frieden und Sicherheit; Demokratie und Menschenrechte; sowie Armut und Ungleichheit.

Der vollständige Bericht am 1. September wird Empfehlungen zum Engagement der EU in jedem dieser Bereiche vorlegen und organisatorische und strukturelle Veränderungen zur Verbesserung der Performance der EU vorschlagen. Wir denken, dass dazu gehört, einen wirklich integrierten, aber flexiblen und Institutionen übergreifenden Ansatz zu schaffen, sowie eine stärkere politische Führung, die auf die komplexen Verknüpfungen zwischen den heutigen globalen Herausforderungen und Agenden antworten kann.

Das Problem

2015 muss die EU sowohl ein substanzielles Klimaabkommen als auch eine ambitionierte globale Entwicklungsagenda mit Transformationspotenzial erreichen. Dies ist nicht nur notwendig, um den globalen Wohlstand zu erhöhen, sondern auch, um ihre eigene Zukunft zu sichern.

Der Klimawandel ist eine wesentliche Bedrohung für künftiges Wohlergehen; mit ihm verbinden sich andere Aspekte globaler Umweltveränderungen, etwa der Verlust der Biodiversität, Desertifikation und Übersäuerung der Weltmeere. Die EU war und ist ein wesentlicher Verursacher dieser Veränderungen. Trotz vergleichsweise hoher Effizienzstandards bei der Energienutzung innerhalb ihrer Grenzen, beruht Europas Produktion und Konsum stark auf externen Inputs. Importe von fossilen Brennstoffen, Rohstoffen, Biokraftstoffen, virtuellem Wasser (welches benötigt wird, um importierte Nahrungsmittel zu züchten), Fleisch und Tiernahrung vergrößern Europas ökologischen Fußabdruck in einer Zeit zunehmender Ressourcenknappheit (ERD, 2012).

Bisher war die EU ein global anerkannter Richtungsweiser in der Klimapolitik, sowohl am internationalen Verhandlungstisch als auch an der Front der Umsetzung zu Hause. Doch inzwischen gibt es Anzeichen für einen abnehmenden Ehrgeiz: der Kommissionsvorschlag von 2014 zur Klima- und Energiepolitik unterbietet das Ziel der Mitgliedsstaaten zu den Anteilen erneuerbarer Energie und ist ebenso bei der Energieeffizienz weniger anspruchsvoll. Der Vorschlag nennt ein Reduktionsziel der Treibhausgase von 40 Prozent bis 2030 basierend auf der Grundlage der Werte von 1990. Sind 40 Prozent genug, wenn die Kommission damit rechnet, dass 2020 bereits 32 Prozent erreicht werden? Denn es macht die nächste Wegstrecke viel steiler: bis 2050 möchte die EU ein Reduktionsziel von 80 Prozent erreichen.

Der abnehmende Ehrgeiz der EU ist vor allem auf die langsame und schmerzhafte wirtschaftliche Erholung der meisten EU-Ökonomien nach der Finanzkrise zurückzuführen. Die Regierungen einiger Mitgliedsstaaten befürchten, dass eine Verpflichtung auf sauberere Energien und niedrigere Kohlenstoffemissionen zu höheren Energie- und Transportkosten führen – beides ist politisch alles andere als schmackhaft. Doch diese Betrachtungsweise ignoriert den anhaltenden Wandel außerhalb der EU-Grenzen: bereits 138 Länder setzen Ziele zu erneuerbaren Energien um. China, die US und viele andere Staaten heben ihre Investitionen in Technologien für erneuerbare Energien erheblich an. 2012 wurden 40 Prozent der neuen Photovoltaik-Module und 70 Prozent der neuen Windkraftanlagen außerhalb Europas installiert. Die Bemühungen um Energieeffizienz nehmen ebenfalls weltweit zu; China und Indien führen bei der energieeffizienten Zementproduktion. Emissionshandelssysteme werden bereits in 16 Ländern auf Bundesebene vorbereitet und in den USA, in Kanada und China sogar auf Provinz- oder Bundesländer-Ebene .

Die Sicherung der Position der EU in der Spitzengruppe der Klima- und Energiepolitik ist also sowohl eine Frage der Aufrechterhaltung ihres Durchsetzungsvermögens in der multilateralen Diplomatie als auch der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit.

Was auf dem Spiel steht

Ein Scheitern der Verhandlungen zu einem Klimaabkommen und einer ehrgeizigen Post-2015-Agenda wird nicht nur die globale Zusammenarbeit schwächen, sondern auch die Fähigkeit der EU verringern, ihre eigenen Bürger vor den schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Auch Nachbarregionen, insbesondere Nordafrika, das Mittelmeer und Südosteuropa werden von der globalen Erwärmung stark betroffen sein und Ausstrahlungseffekte auf die EU sind sehr wahrscheinlich. Dagegen würde eine proaktive Klima- und Energiepolitik dazu beitragen, die europäischen Wettbewerbsvorteile und den bedeutenden Export in Regionen mit geringer kohlenstoffarmer Technologieentwicklung und -umsetzung aufrechtzuerhalten und die Abhängigkeit vom Import fossiler Energiebrennstoffe zu verringern.

Bislang bleiben die Verpflichtungen zum Klimaschutz hinter den Zielen zurück, die Wissenschaftler für notwendig erachten, um in sicheren planetaren Grenzen zu bleiben.

Über die Autor*innen

Scholz, Imme

Soziologin

Scholz

Keijzer, Niels

Sozialwissenschaft

Keijzer

Dzebo, Adis

Politikwissenschaftler

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