Die Reform der Weltbank

Erweiterte Mission, aber begrenzte Kapazitäten?

Erweiterte Mission, aber begrenzte Kapazitäten?

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Walle, Yabibal / Clara Brandi
Die aktuelle Kolumne (2023)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), (Die aktuelle Kolumne vom 24.04.2023)

Die Weltbank hat einen längst überfälligen Reformprozess eingeleitet. Angesichts erheblicher Finanzierungslücken bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und des Pariser Abkommens haben Akteur*innen weltweit eine rasche und umfassende Reform der internationalen Finanzarchitektur gefordert. Das ist essentiell, damit das Finanzsystem zur Lösung der vielfältigen Krisen des 21. Jahrhunderts beitragen kann. Forderungen für Reformen finden sich beispielsweise im Independent Review of Multilateral Development Banks Capital Adequacy Frameworks (2022) der G20, in der Bridgetown-Initiative 2022 und in Erklärungen führender Entscheidungsträger*innen, darunter der Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, und der deutschen Entwicklungsministerin Svenja Schulze.

Die kürzlich von der Weltbank veröffentlichte Evolution Roadmap ist ein positiver Schritt in die richtige Richtung. Zwar sind die Pläne der Bank für eine erweiterte Mission – mit neuem Schwerpunkt auf Resilienz und Nachhaltigkeit – zu begrüßen, sie bedürfen jedoch einer erheblichen Aufstockung ihrer Finanzierungskapazitäten. Auf der Frühjahrstagung 2023 (10.–16. April) sind die Anteilseigner der Weltbank dabei allerdings nicht viel weitergekommen.

Die Reform der Weltbank zielt maßgeblich darauf ab, der Finanzierung von Lösungen für globale Herausforderungen Priorität einzuräumen. Bisher hat sich die Bank vor allem auf die Unterstützung einzelner Länder konzentriert und weniger auf globale, grenzüberschreitende öffentliche Güter, wie der Reduzierung von Kohlenstoffemissionen, der Pandemievorsorge oder dem Schutz der Regenwälder. Im Rahmen der Evolution Roadmap könnte die Bank nationalen Regierungen zusätzliche und billigere Darlehen anbieten, um Anreize für die Bereitstellung solcher globalen öffentlichen Güter zu schaffen und so über den traditionellen Schwerpunkt auf Armutsbekämpfung hinauszugehen.

Die erweiterte Mission der Bank ist ein hehres Ziel, das jedoch einer massiven Aufstockung der Mittel bedarf. Im Wesentlichen gibt es drei Wege, die Handlungsfähigkeit der Bank zu stärken: eine Kapitalerhöhung durch die Anteilseigner, eine bessere Hebelwirkung der Weltbank-Bilanzen und die Mobilisierung von Privatkapital. Zwar haben sich die Anteilseigner auf der Frühjahrstagung nicht zu einer Kapitalerhöhung verpflichtet, allerdings stimmten sie einer Senkung des Verhältnisses zwischen Eigenkapital und Krediten von 20 Prozent auf 19 Prozent zu. Dieses Verhältnis gibt an, wie viele Schulden die Weltbank im Verhältnis zum Wert ihrer Aktiva aufnehmen kann. Dieser Schritt und andere damit zusammenhängende Änderungen bei der Verwendung des Bankkapitals werden die Finanzkraft der Bank in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich um bis zu 50 Mrd. USD erhöhen.

Dieser Betrag ist jedoch weitaus geringer als für die Umsetzung der ambitionierten Reformagenda der Bank erforderlich wäre. In einem Bericht von 2022 schätzen die Ökonom*innen Vera Songwe und Nicholas Stern, dass die Entwicklungsländer bis 2030 jährlich 1 Billion US-Dollar an externer Infrastrukturfinanzierung benötigen, um ihre Emissionen im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel zu reduzieren. Folglich wird die Finanzierung der Reformagenda der Weltbank stark vom dritten Weg abhängen: der Mobilisierung von Privatkapital.

Eine solche Konzentration auf privates Kapital birgt jedoch Risiken. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass Mischfinanzierungen, d. h. der strategische Einsatz öffentlicher Entwicklungsfinanzierung zur Mobilisierung zusätzlicher Privatmittel, mit jährlichen Beträgen von durchschnittlich gerade einmal 10,7 Mrd. USD für den Zeitraum 2011–2022 nur schwer in Gang kommt. Daher ist die Strategie der Weltbank vorrangig einem bisher weitgehend erfolglosen Ansatz zu folgen äußerst riskant. Darüber hinaus ist bei Mischfinanzierungen immer zwischen privater Rendite und öffentlichem Nutzen abzuwägen. Ein verstärkter Rückgriff auf Mischfinanzierungen ohne erweiterte Transparenzmechanismen, die sicherstellen, dass die versprochenen Wirkungen für nachhaltige Entwicklung und globale öffentliche Güter tatsächlich eintreten, kann die Fähigkeit der Bank untergraben, ihre erweiterte Mission zu erfüllen.

Es ist besorgniserregend, dass die Weltbank nicht mit einer überzeugenden Strategie zur Erhöhung ihrer Finanzierungskapazitäten aufwartet. Knappe konzessionäre Mittel sollten nicht von der Armutsbekämpfung auf die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter umgelenkt werden. Wachstum und Armutsbekämpfung sind bereits durch die COVID-19-Pandemie, die wachsende Schuldenkrise und die dem russischen Angriff auf die Ukraine geschuldete Krise der Lebenshaltungskosten ins Stocken geraten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Weltbank ihren geografischen Schwerpunkt von Ländern mit niedrigem Einkommen (LIC) auf Länder mit mittlerem Einkommen (MIC) verlagert, sollte sie ihre Mission um die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter erweitern. Das Nachsehen hätten dann womöglich ärmere Länder.

Zusammenfassend erklärt die Weltbank in ihrer Roadmap zu Recht, dass „die konzessionäre Finanzierung für MICs ein zusätzlicher Posten sein sollte, um die dringendsten globalen Herausforderungen zu bewältigen, jedoch nicht zulasten ärmerer Länder gehen darf“. Um diese Verpflichtung einzuhalten, sind jedoch erhebliche Kapitalerhöhungen seitens der Anteilseigner sowie weitreichende Entscheidungen für eine verbesserte Hebelwirkung der Bankbilanzen erforderlich.

Über die Autor*innen

Brandi, Clara

Ökonomie und Politikwissenschaft

Brandi

Walle, Yabibal

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Walle

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