Hacken für das Klima

Hacken für das Klima

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von Weizsäcker, Franz / Clara Brandi
Die aktuelle Kolumne (2017)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 13.11.2017)

Bonn, 13.11.2017. Während seit letzter Woche Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft in Bonn zur Weltklimakonferenz zusammenkommen, treffen sich parallel dazu Hacker zu einem “Blockchain-Hackathon”. Unter dem Titel #Hack4Climate arbeiten sie am gleichen Ziel wie die Klimaexperten: Sie möchten den Klimaschutz voranbringen. Erreichen wollen sie dies allerdings nicht mit Diplomatie, sondern mit konkreten technischen Lösungen. Im Zentrum ihrer Experimente steht dabei die Technologie der sogenannten Blockchain.

Die Blockchain-Technologie erlaubt es durch ausgeklügelte Technik, eine Art Register von beliebigen Informationen oder Transaktionen zu erstellen. Die enthaltenen Informationen sind frei einsehbar, jedoch im Nachhinein nicht von Dritten manipulierbar. Die bekannteste Anwendung ist die digitale Währung Bitcoin. Bei dieser sind mit Hilfe der Blockchain Transaktionen von Geldbeträgen ohne eine übergeordnete Instanz wie eine Zentralbank sicher dezentral durchführbar. Diese dezentrale Vertrauensmaschine möchte man sich nun für Klimaziele zunutze machen, wenn das Vertrauen zwischen Staaten, lokalen Verwaltungen und Betrieben nur eingeschränkt vorhanden ist.

Der Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen hat die Debatte wieder neu entfacht, welche Anreize auch jenseits nationaler Politik gegen CO2-Ausstoß wirksam sind. Denn man möchte die Verlagerung von energieintensiver Produktion in Gegenden, in denen der CO2-Ausstoß besonders preiswert ist, verhindern. Ein wirksamer Hebel dafür, sogenannte Klimazölle (carbon adjustment tax), sind bislang unter anderem daran gescheitert, dass die Messung der CO2-Bilanz von Produkten entlang ihrer Wertschöpfungskette einen administrativen Alptraum darstellt. Hier bringen die Blockchain-Technologie sowie das Internet der Dinge neue Hoffnung in die Debatte für eine verlässliche und automatisierte CO2-Bilanzierung.

Wie Blockchain in Handelsströmen funktionieren kann, machen einzelne Akteure bereits vor. So setzt die Reederei Maersk Line auf die Blockchain, um Transaktionen der in ihrer Handelskette involvierten Logistikunternehmen, Häfen und Zollbehörden in Echtzeit nachzuvollziehen. Auch die chinesische Regierung möchte bei ihrer neuen Seidenstraßen-Vision, der Belt-and-Road Initiative, mithilfe einer Blockchain für Transparenz und Vertrauen sorgen.

Jedoch: Der Hype um die Blockchain-Technologie kann auch falsche Hoffnungen wecken. Damit die anscheinend unbegrenzten Möglichkeiten der virtuellen Blockchain-Welt in der echten Welt eine Wirkung entfalten, müssen wir erst geeignete Brücken zwischen Bits und Atomen schlagen. Sensornetzwerke im Internet der Dinge können CO2-Buchführung automatisiert in die Blockchain schreiben. Dieser Datenreichtum erlaubt automatische Konsistenzprüfungen und erschwert den Betrug.

Auch der Rechtsrahmen muss für diese neuen Möglichkeiten geprüft werden. Im Handelsrecht erlaubt die Umweltklausel laut GATT Artikel XX, Produkte mit nachhaltigen Herstellungsmethoden unter gewissen Bedingungen handelspolitisch zu bevorzugen. Wenn man nun eine Blockchain-basierte CO2-Buchführung in die Praxis der Handelspolitik übertragen möchte, müssen nicht nur technische, sondern ebenso offene rechtliche Fragen z.B. zu relevanten Unterscheidungsmerkmalen, Ursprungsregeln u.a. geklärt werden.

Abschrecken lassen sollten wir uns allerdings von diesen Herausforderungen nicht. Das Potenzial der Blockchain ist zu vielversprechend. Klimafreundliche Handelspolitik wäre nur der erste Schritt einer viel größeren Revolution im Welthandel. Werden wir künftig überhaupt noch Zollstationen brauchen, wenn über jedes einzelne Produkt zuverlässige Daten über dessen Herstellung vorliegen? Statt Zollbürokratie könnte die Handelspolitik direkt in die Blockchain einprogrammiert werden durch sogenannte „Smart Contracts“. Auf diese Weise können neben Klimazielen beispielsweise auch die in der Blockchain dokumentierte Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards oder andere Entwicklungsziele handelspolitisch belohnt werden.

Sicher ist: Wir können nicht von jeder Idee des Bonner Klima-Hackathons gleich eine Revolution erwarten. Für zukunftsfähige Klimamärkte benötigen wir nicht nur kreative technische Ideen, sondern ebenso die Unterstützung vom Gesetzgeber und die globale Kooperation staatlicher sowie nichtstaatlicher Akteure. Doch verpassen dürfen wir die Gelegenheit keinesfalls, interdisziplinär an einer gemeinsamen Vision zu arbeiten. Dafür braucht es Phantasie und Offenheit für neue Lösungen. Blockchain könnte eine solche sein.

Franz von Weizsäcker ist Partnership Manager des "Strategischen Projekts Digitaler Wandel" der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Clara Brandi ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Über die Autorin

Brandi, Clara

Ökonomie und Politikwissenschaft

Brandi

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