UN-Gipfel für Wohnen und nachhaltige Stadtentwicklung: Was steht auf dem Spiel?

UN-Gipfel für Wohnen und nachhaltige Stadtentwicklung: Was steht auf dem Spiel?

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Dick, Eva / Maria-Theres Haase
Die aktuelle Kolumne (2016)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 17.10.2016)

Bonn, 17.10.2016. Vom 17.-20. Oktober 2016 findet in Quito, Ecuador, die dritte Konferenz der Vereinten Nationen für Wohnen und nachhaltige Stadtentwicklung (Habitat III) statt, auf der zentrale Entscheidungen für das städtische Leben in den nächsten Jahrzehnten getroffen werden. Sie gilt auch als „Umsetzungskonferenz“ nach dem Beschluss der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens. Damit sich diese Erwartung erfüllen kann, müssen in Quito die Grundlagen für die „Lokalisierung“ der globalen Nachhaltigkeitsziele gelegt werden, also deren Umsetzung und Erfolgsbeobachtung in Städten und Kommunen.

Städte spielen für nachhaltige Entwicklung weltweit eine zentrale Rolle. Mehr als 50 % der Weltbevölkerung sind bereits in Städten beheimatet, bis zum Jahr 2050 werden es zwei Drittel sein. 90 % des bis 2050 zu erwartenden Anstiegs der Stadtbevölkerung erfolgt in Schwellen- und Entwicklungsländern. Die Infrastrukturen für die Versorgung dieser Menschen müssen größtenteils noch gebaut werden, sonst werden globale Ziele der Armutsminderung verfehlt. Folgen Städtebau und Stadtplanung jedoch den Leitbildern der letzten Jahrzehnte werden zunehmend Flächen und Ressourcen verbraucht. Damit ist es unmöglich, innerhalb der Zwei-Grad-Grenze der Erderwärmung zu bleiben.

Die wenigsten Städte verfügen allerdings über die Mittel, zur Lösung solch komplexer globaler Entwicklungsaufgaben beizutragen. Insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern fehlt es vielerorts an fachlichen- und Entscheidungskompetenzen auf lokaler Ebene, oft aufgrund unzureichender rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen für die Dezentralisierung und kommunale Selbstverwaltung. In den wenigsten Ländern werden Anliegen der zivilgesellschaftlichen- und Basisgruppen hinreichend in die Stadtentwicklung einbezogen. Chancen der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor, etwa in den Bereichen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sowie Digitalisierung, werden nur selten genutzt. Auch in den internationalen Politikprozessen werden Städte unzureichend einbezogen. Insbesondere die Anliegen der Klein- und Mittelstädte werden vernachlässigt, obwohl gerade diese am schnellsten wachsen und daher vor besonderen Herausforderungen stehen, ihrer Bevölkerung Grundversorgung, Teilhabe und sozialen Zusammenhalt zu ermöglichen.

Die Habitat III Konferenz bietet eine echte Chance, die entwicklungspolitische Bedeutung von Städten international ins Bewusstsein zu rücken und künftig in Handlungskonzepten für nachhaltige Entwicklung zu berücksichtigen. Zum einen spiegelt sich dies im Prozessverfahren wider. Bei der Vorbereitung der Konferenz konnten sich Städte erstmals umfangreich in die Verhandlungen des Entwurf des Abschlussdokuments der Konferenz einbringen: die „ New Urban Agenda“. Auf der Konferenz selbst fokussieren zahlreiche Veranstaltungen auf Fragen der Umsetzung, viele davon auf Initiative oder mit Beteiligung städtischer Akteure.

Zum anderen zeigt sich die starke entwicklungspolitische Gewichtung von Städten auch in den Inhalten des Endentwurfs der New Urban Agenda. Deren Implementierung trage zu einer beteiligungsorientierten und lokalen Umsetzung  der Agenda 2030 bei. Um eine effektive Umsetzung zu gewährleisten, müssten auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden, zum Beispiel plädiert die New Urban Agenda für Dezentralisierung und Subsidiarität. Prozesse zur Beobachtung des Umsetzungserfolges der New Urban Agenda sollen an die Erfolgskontrolle der Agenda 2030 gebunden werden. Auch hier werden Lokalregierungen als aktive Partner im Prozess anerkannt.

Doch all das scheint ohne klare Aussagen und Details zur Lokalisierung, also der Umsetzung und Erfolgsüberwachung der Agenda 2030 in Städten und Kommunen, noch ungenügend. Die Konferenz muss daher Folgendes anstoßen:

  • Lokalregierungen treten in den Dialog mit der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und anderen Interessengruppen, um gemeinsam Visionen zu formulieren, Prioritäten zu setzen und ortspezifische Strategien zu formulieren.

  • Durch die Beteiligung in Städteverbänden oder kommunalen Partnerschaften werden Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsames Lernen ermöglicht.
  • Die Nationalregierungen schaffen die notwendigen Rahmenbedingungen, so dass die Städte und Stadtregionen in der Lage sind, eigene Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.
  • Durch ein verstärktes Mitspracherecht auf internationaler Ebene sind Städte aller Größenordnungen und ihre Vertreterverbände in der Lage, ihre Herausforderungen und Interessen geltend zu machen.


Es steht daher viel auf dem Spiel. Denn wenn in dieser Woche nicht die Weichen dafür gestellt werden, den ‚Megatrend Urbanisierung‘ für eine nachhaltige globale Entwicklung zu nutzen, könnte diese Chance auf Dauer vertan sein – Habitat IV findet erst im Jahr 2036 statt. Daher muss sich auch Deutschland in Quito jetzt dafür einsetzen, die volle Wirkungskraft von Städten zu stärken.

Über die Autorin

Dick, Eva

Soziologin und Raumplanerin

Dick

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