Internationaler Frauentag 2018

Von Geschlechterparität zur Gleichstellung der Geschlechter: die Lebenswirklichkeit von Frauen verändern!

Von Geschlechterparität zur Gleichstellung der Geschlechter: die Lebenswirklichkeit von Frauen verändern!

Download PDF 168 KB

Manlosa, Aisa / Denise Margaret Matias
Die aktuelle Kolumne (2018)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 05.03.2018

Bonn, 05.03.2018. Bisherige Bemühungen zur Gleichstellung der Geschlechter haben viel dazu beigetragen, Aufmerksamkeit zu schaffen und Veränderungen zu fördern, doch es liegt noch ein langer Weg vor uns. Frauen sind nun erwerbstätig, aber die #MeToo-Kampagne hat gezeigt, dass der Arbeitsplatz ein Nährboden für Ungleichheit und Gewalt gegen Frauen sein kann. Der diesjährige Internationale Frauentag am 8. März hat das Motto „Press for Progress“. Es ist teilweise inspiriert vom Global Gender Gap Report 2017 des World Economic Forum (WEF), der darauf verweist, dass wir unter gegenwärtigen Bedingungen erst in 217 Jahren Geschlechterparität bei Einkommen erreichen werden. Der Internationale Frauentag setzt sich dafür ein, „in Geschlechterparität zu denken“. Aber was ist Geschlechterparität? Welche Rolle spielt sie bei der Förderung der Geschlechtergleichstellung?

Geschlechterparität ist ein statistisches Maß, das mit einem numerischen Wert das Verhältnis zwischen Frauen und Männern oder Mädchen und Jungen für Indikatoren wie Einkommen oder Bildung angibt. Wenn in einem Land die gleiche Anzahl von Mädchen und Jungen die Grundschule abgeschlossen hat, beträgt die Geschlechterparität bei diesem Indikator eins. Je größer der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen ist, desto niedriger ist der Geschlechterparitätswert. Geschlechterparität ist ein nützliches Instrument, um die Ungleichheit der Geschlechter in bestimmten Bereichen zu bewerten, Ziele zu setzen und Veränderungen und Fortschritte zu messen.

Geschlechterparität bedeutet jedoch nicht Gleichstellung der Geschlechter, und diese Unterscheidung ist wichtig, um Mittel nicht mit Zielen zu verwechseln. Einer der Teilindizes im WEF-Bericht betrifft die wirtschaftliche Partizipation in 144 Ländern. Dazu gehört bezahlte Arbeit, formelle und informelle. Zwangsläufig schließt der Teilindex unbezahlte Arbeit von Frauen aus, die gewöhnlich wirtschaftliche Aktivitäten in ländlichen Gebieten unterstützt. Unbezahlte Arbeit ist jedoch ein wichtiger wirtschaftlicher Beitrag, auch wenn sie nicht explizit monetär vergütet wird. Zudem hat sie Auswirkungen auf das Ausmaß, in dem Frauen an wirtschaftlichen Aktivitäten teilnehmen können. Sind sie hauptsächlich für unbezahlte Arbeit verantwortlich, bleibt ihnen weniger Zeit und Energie für wirtschaftliche Aktivitäten als ihren männlichen Gegenübern.

Geschlechtergleichstellung zu erreichen, bedeutet, einen tatsächlichen Wandel in der Lebenswirklichkeit von Frauen zu bewirken, insbesondere in Arbeitskontexten. Dies beinhaltet wesentliche Veränderungen nicht nur des Anteils von Männern und Frauen in Bezug auf bestimmte Indikatoren, sondern auch tiefgreifender gesellschaftlicher Normen und Identitätsgefühle – unabhängig vom Geschlecht geschätzt und respektiert zu werden. Um die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen, müssen die Bemühungen über das Erreichen von Statistikwerten hinausgehen. In großen Teilen der Welt sind noch Fortschritte nötig beim Zugang von Frauen zu grundlegenden Menschenrechten wie Bildung, sicheren Arbeitsplätzen und Eigentum. Hier sind unterstützende Politiken der Regierungen gefragt; aber es muss auch dafür gesorgt werden, dass geschlechtssensible Politiken umgesetzt werden und effektiv dazu beitragen, die Lebenswirklichkeit von Frauen positiv zu verändern. Im Südwesten Äthiopiens beispielsweise ist die Praxis, Land an Söhne zu vererben, tief verwurzelt – trotz einer Regierungspolitik, die das Recht der Frauen auf Land formell anerkennt. In vielen Fällen besitzen Frauen nach einer Scheidung oder dem Tod des Ehemannes ein Stück Land, nur um später von männlichen Verwandten enteignet zu werden. Dies geschieht trotz der gesetzlichen Anerkennung der Frauenrechte. Es braucht mehr als eine politische Maßnahme, um die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen.

„Ich glaube, dass ermächtigte Frauen die Gesellschaft verändern. Die Daten sagen es uns“, schreibt Melinda Gates im Jahresbrief 2018 der Bill & Melinda Gates Foundation. Dann fragt sie: „Warum bekommen berufstätige Frauen in nordischen Ländern so viel Unterstützung?“ Dies betont die Situation in anderen Teilen der Welt, wo Frauen trotz geltender Gesetze nicht die nötige Unterstützung erhalten. Im äthiopischen Beispiel sieht das Gesetz vor, dass die Namen der Ehefrauen in die Registrierung von Land aufgenommen werden müssen – ein lobenswerter Schritt in die richtige Richtung. Wie wirksam Gesetze sind, hängt jedoch von tief verwurzelten Denk- und Handlungsstrukturen ab, die die täglich gelebte Realität der Menschen bestimmen. Die Gleichstellung der Geschlechter hat mehrere Komplexitätsebenen und wir kratzen gerade erst an der Oberfläche. Was bedeutet diese Komplexität für politische Entscheidungsträger, Forscher, Entwicklungspraktiker, Sozialarbeiter und alle, die daran interessiert sind, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern? Indikatoren für Geschlechterparität sind nützlich, um Problembereiche zu ermitteln, die Aufmerksamkeit erfordern. Aber wenn es um echten Wandel geht, ist es wichtig, über die Zahlen hinauszuschauen und, mit den Worten des UN-Generalsekretärs António Guterres, die „Tatsachen vor Ort“ zu betrachten.

Über die Autorin

Matias

Weitere Expert*innen zu diesem Thema

Burchi, Francesco

Entwicklungsökonomie 

Christ, Simone

Sozialanthropologie 

Dippel, Beatrice

Komparatistik 

Fiedler, Charlotte

Politikwissenschaftlerin 

Friesen, Ina

Politikwissenschaft 

Gutheil, Lena

Ethnologie 

Hackenesch, Christine

Politikwissenschaft 

Jaji, Rose

Anthropologie 

Leininger, Julia

Politikwissenschaftlerin 

Li, Hangwei

Politikwissenschaft 

Lorch, Jasmin

Politikwissenschaft 

Mross, Karina

Politikwissenschaftlerin 

Nowack, Daniel

Politikwissenschaftler 

Roll, Michael

Soziologie 

Sowa, Alina

Ökonomie 

Stöcker, Alexander

Ökonomie 

Wingens, Christopher

Politikwissenschaftler 

Zintl, Tina

Politikwissenschaftlerin