Warum wir kein Klimaproblem hätten, wenn wir unsere Kinder zur Klimaschutzkonferenz schickten

Warum wir kein Klimaproblem hätten, wenn wir unsere Kinder zur Klimaschutzkonferenz schickten

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Lindenberg, Nannette
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 26.11.2014)

Bonn, 26.11.2014. Mit dem ersten Advent beginnt für viele von uns das Warten auf Weihnachten – die internationalen Klimaschützer blicken ab Montag hoffnungsvoll nach Lima, wo sich 195 Staaten zum 20. Mal zur UN-Klimaschutzkonferenz zusammen finden und sich selbst das schönste Geschenk machen könnten. Auch dieses Jahr versuchen die Delegationen, einen gerechten Klimapakt als Nachfolgeabkommen für das bereits 2012 ausgelaufene und nur halbherzig bis 2020 verlängerte Kyoto-Protokoll zu verhandeln. Und vermutlich werden sie – wie auch in den letzten fünf Jahren – wieder scheitern. Wir würden besser unsere Kinder schicken.

Die Bemühungen, ein gerechtes Abkommen zu verhandeln, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Einen gerechten Klimapakt kann es nicht geben. Dennoch wird der entscheidende Dreh- und Angelpunkt wieder die Frage der Gerechtigkeit eines solchen Abkommens sein. Wie werden die Lasten verteilt? Stehen die Industrieländer, die jahrzehntelang nur wenig für den Klimaschutz gegeben und die im 20. Jahrhundert rasant gewachsen sind, in einer historischen Verantwortung? Ist es deshalb nicht nur gerecht, wenn die heutigen Schwellenländer für sich das gleiche Verhalten und Wirtschaften einfordern? Aber wo bleiben dann die Entwicklungsländer? Was passiert mit den kleinen Inselstaaten, deren Existenz durch den Klimawandel bedroht ist? Es wird wieder darauf hinauslaufen, dass die Delegationen versuchen, den Klimawandel mit einer perfekt durchdachten Synchron-Choreographie zu bekämpfen. Kollektives Handeln ist super. Aber wir drohen vor lauter Synchronisation auf der Stelle zu trippeln und vom Strom des Klimawandels weggerissen zu werden – wovor die Weltbank erst letzte Woche gewarnt hat.

Dabei wäre die Lösung so einfach: Würden die Länder dieses Jahr reine Kinderdelegationen nach Peru schicken, dann müsste nur jemand laut rufen: „Wer spart am schnellsten am meisten CO2 ein?“ Und das Erreichen des 2-Grad-Zieles wäre eine der leichtesten Übungen der Menschheit. Bei Kindern im Kindergartenalter funktioniert die Motivation „wer wird der Erste?“ perfekt. Immer. Egal wie unliebsam die zu bewältigende Aufgabe ist. Ein Wettstreit ist auch die einzig sinnvolle Art und Weise politisch des Problems Herr zu werden. Der Grund: Es gibt sowieso keine gerechte Verhandlungslösung für den Kampf gegen den Klimawandel, denn die inherente Eigenschaft des Klimawandels ist seine Ungerechtigkeit. Die sich verändernden Klimabedingungen kennen keine Gerechtigkeitsüberlegungen. Allzu häufig sind die Ärmsten und Schwächsten am stärksten von seinen Auswirkungen betroffen.

Für die arme Bevölkerung in vielen Entwicklungsländern gilt dies besonders. Aber auch bei uns in Deutschland werden die verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft oft am stärksten von den immer häufiger auftretenden Unwettern getroffen. Rückstau-Sicherungen für Abwasserrohre oder komplette Umbauten der Kellergeschosse mit wasserundurchlässigen Materialien sind nicht günstig, und auch eine Versicherung gegen Starkregen muss man sich erst einmal leisten können. Das Brisante am Klimawandel ist, dass jedes Zögern die Situation noch ungerechter macht: Für die heute am stärksten betroffenen Menschen und für alle zukünftigen Generationen. Wir alle werden uns von unseren Kindern und Enkeln fragen lassen müssen, weshalb wir so viel Zeit mit völlig unsinnigen Diskussionen verschwendet haben.

Statt auf eine gemeinsame Aktion zu warten, sollte sich jedes Land zunächst an die eigene Nase fassen und überlegen, welche maximale Anstrengung es selbst im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann. Wenn diese definiert ist, sollten die Delegationen noch einen ambitionierten Schritt weiter gehen – ganz unabhängig davon, was die anderen zusagen werden. Gerecht wäre es zudem, wenn wir – die reichen Industrieländer – dann unabhängig davon auf die Entwicklungs- und Schwellenländer zugehen würden und ihnen mit Respekt (für ihre Anstrengungen) unsere Unterstützung für ihre Entwicklung zu grünen Gesellschaften anbieten. Das wäre nicht einmal altruistisch, denn unsere Innenminister diskutieren momentan nahezu täglich, wie man Flüchtlingsströme gerecht lenken kann. Für die Millionen potenzieller Klimaflüchtlinge wäre es schließlich am wünschenswertesten, sie könnten bei sich zuhause menschenwürdig leben.

Vor über 2.000 Jahren ist für die Christen ein Kind geboren, das sie als Retter der Welt bezeichnen. Ich wünsche mir, dass die Erwachsenen auch heute wieder voller Erfurcht auf die Kinder schauen, von ihnen lernen und aus den anstehenden Klimaverhandlungen einen Wettstreit machen: Wäre es nicht toll, wenn wir es wären, die am schnellsten am meisten CO2 einsparen? Ich wünsche mir, dass die Länder alle mit dem Drang zu gewinnen zur Klimaschutzkonferenz aufbrechen – so wie meine Tochter begeistert losstürmt, wenn ich frage, wer die meisten Bauklötze wegräumt.

Über die Autorin

Lindenberg

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