Weltwassertag 2024

Wasser für den Frieden? Frieden für Wasser in Gaza!

Wasser für den Frieden? Frieden für Wasser in Gaza!

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Houdret, Annabelle / Ines Dombrowsky
Die aktuelle Kolumne (2024)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 20.03.2024

Bonn, 20. März 2024. Das diesjährige Thema des Weltwassertags der Vereinten Nationen lautet „Wasser für den Frieden“. In einer der wasserärmsten und konfliktreichsten Regionen der Welt setzt die für den Friedensnobelpreis 2024 nominierte Initiative EcoPeace Middle East tatsächlich auf Wasserressourcen, um ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Israelis, Jordanier*innen und Palästinenser*innen arbeiteten über Grenzen hinweg zusammen, um ihre gemeinsame wasserabhängige Zukunft zu gestalten.

Wasser als Waffe

Heute ist Wasser im Gazastreifen zu einer Waffe geworden. Als Reaktion auf die Angriffe der Hamas setzt Israel Wasser auf dreierlei Weise als Waffe ein: durch Überflutung, durch Verschmutzung und dadurch, dass es den Zugang zu sauberem Wasser fast unmöglich macht.

Überflutungen wurden auch in der Ukraine und im Irak als Waffe eingesetzt. Im Gazastreifen pumpten die israelischen Streitkräfte Tausende von Kubikmetern Meerwasser in das Tunnelnetz der Hamas, um es zu zerstören. Wie Expert*innen in Nature warnten, könnte dies nicht nur Gebäude destabilisieren, sondern auch das Grundwasser dauerhaft versalzen. Der taktische Nutzen solcher Maßnahmen ist ungewiss.

Die Verschmutzung von Wasserressourcen ist eine weitere grausame Waffe. Im Gazastreifen sind die Wasser- und Abwasseraufbereitungsanlagen entweder zerstört oder können wegen Treibstoffmangels nicht betrieben werden. Die Grundwasserressourcen wiederum sind durch ungeklärte Abwässer und Krankenhausabfälle sowie Schwermetalle der Raketen verschmutzt. Hochgiftiger weißer Phosphor, der von Israel abgeworfen wurde, sowie menschliche Überreste, Asbest und nicht explodierte Munition vergiften Böden und Wasserökosysteme. Da die Wasserspeicher zerstört und Entsalzungsanlagen entweder beschädigt oder mangels Treibstoff außer Betrieb sind, greift die Bevölkerung zum Überleben auch auf chemisch verseuchtes und stark salzhaltiges Wasser aus landwirtschaftlichen Brunnen zurück. Durch Wasser übertragene Krankheiten wie Cholera, Typhus und antibiotikaresistente Keime verbreiten sich schnell und treffen besonders Kinder. Die Weltgesundheitsorganisation warnt, dass die Wasserverschmutzung möglicherweise mehr Todesopfer fordern wird als die militärischen Interventionen.

Den Zugang zu Wasser zu unterbrechen ist ebenfalls eine altbewährte militärische Taktik. Kurz nach den Angriffen der Hamas hat Israel die Wasserversorgung durch Leitungen vollständig gekappt. Im Osloer Abkommen von 1995 verpflichtete sich Israel, dem Gazastreifen 5 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr zur Verfügung zu stellen, um den langjährigen Wasserkonflikt zu entschärfen. Laut Human Rights Watch wurde dies zwar teilweise wieder aufgenommen, wegen Stromausfällen und der zerstörten Infrastruktur steht jedoch kaum sauberes Wasser zur Verfügung. Israelische Behörden behindern Berichten zufolge Bemühungen, die beschädigte Wasserinfrastruktur zu reparieren. Zusätzlich zu dem ungeheuren Leid und der Zerstörung im Gazastreifen droht der Mangel an sauberem Trinkwasser ein weiteres Todesurteil für diejenigen zu sein, die die militärischen Angriffe überlebt haben.

Wie der UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und angemessene Sanitärversorgung Pedro Arrojo-Agudo und andere gewarnt haben, verstößt der Einsatz von Wasser als Waffe in Gaza gegen eine Reihe von humanitären und menschenrechtlichen Grundsätzen.

Die Auswirkungen auf Israel

Die Umweltkatastrophe in Gaza wird langfristige Auswirkungen auf Wasserressourcen und Böden haben. Ein gesundes Leben im Gazastreifen ist in Zukunft angesichts der starken Verschmutzung, Versalzung und Wasserknappheit sowie der Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen kaum vorstellbar. Da Wasser- und Umweltverschmutzung keine politischen Grenzen kennen, wirkt sich dies auch auf Israel aus. Israelische Expertinnen warnen bereits davor, dass die Umweltzerstörung in Gaza und im Westjordanland negative Auswirkungen auf die Wasser-, Boden- und Luftqualität und damit auf Gesundheit und Ernährungssicherheit in Israel haben wird. Unter anderem fließen die ungeklärten Abwässer aus Gaza ins Mittelmeer, an die israelische Küste und in den Zulauf von Entsalzungsanlagen, und wirken sich negativ auf Böden und Grundwasserqualität in Israel aus. Angesichts der schrecklichen humanitären Lage in Gaza scheinen Umweltbelange zweitrangig zu sein, aber sie sind von Dauer und müssen angegangen werden.

Wasser und Frieden

Wasser für den Frieden erfordert die Mobilisierung von (menschen-)rechtsbasierten Ansätzen, Verhandlungen und Vereinbarungen auf der Grundlage einer angemessenen Vertretung aller Beteiligten, um die unterschiedlichen Interessen an dieser lebenswichtigen Ressource auszugleichen. Allerdings ist der Kontext vor Ort der einer „Wasserhegemonie“, denn schon vor der gegenwärtigen Gewalteskalation erhielten 7 Millionen Israelis 90 Prozent der verfügbaren Wasserressourcen der Region und 3,5 Millionen Palästinenser*innen im Westjordanland und im Gazastreifen die restlichen 10 Prozent; dies wurde von der internationalen Gemeinschaft gemäß den Osloer Vereinbarungen akzeptiert. Unter solch asymmetrischen Bedingungen bleibt „Wasser für Frieden“ wohl Wunschdenken.

Wasser als Ausgangspunkt für eine Zusammenarbeit zu nutzen bleibt dennoch auch in Nahost wünschenswert. In der aktuellen Situation in Gaza geht es jedoch eher um „Frieden für Wasser“. Dies erfordert einen Waffenstillstand und eine Aussetzung der Waffenlieferungen an Israel, um humanitäre Hilfe einschließlich der Wasserversorgung zu ermöglichen und kriegsbedingte Umweltverschmutzung zu stoppen. Beide Maßnahmen wurden auch von Josep Borrell, dem Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, sowie von 200 internationalen Parlamentarier*innen gefordert; vier europäische Länder haben ihre Waffenexporte bereits eingestellt. Anschließend sollten die Umweltschäden sowie deren langfristige Auswirkungen gründlich untersucht werden. Dies muss zu einer gerechten Neuverteilung des Wassers und der damit verbundenen Kosten führen. Nur dann kann Wasser zu einer Quelle des Friedens und der Zusammenarbeit im gemeinsamen Interesse beider Bevölkerungen für eine nachhaltige Zukunft werden.

Über die Autor*innen

Dombrowsky, Ines

Ökonomin

Dombrowsky

Houdret, Annabelle

Politikwissenschaftlerin

Houdret

Weitere Expert*innen zu diesem Thema

Herrfahrdt-Pähle, Elke

Volkswirtin 

Hornidge, Anna-Katharina

Entwicklungs- und Wissenssoziologie 

Schoderer, Mirja

Umweltwissenschaft 

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Geographie