15 Jahre ‘Managing Global Governance’ (MGG)

Wie entfalten transnationale Wissensnetzwerke Wirkung?

Wie entfalten transnationale Wissensnetzwerke Wirkung?

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Vogel, Johanna / Wulf Reiners
Die aktuelle Kolumne (2022)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), (Die aktuelle Kolumne vom 28.11.2022)

Die aktuellen globalen Herausforderungen erfordern eine wirksame länder- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Transnationale Netzwerke sind für heterogene Akteur*innengruppen ein Kooperationsraum, in dem sie gemeinsames Verständnis für globale Probleme schaffen, Fachwissen teilen, gemeinsame Lösungen entwickeln und Veränderungsprozesse einleiten können. Dass globale Netzwerke Wirkung entfalten, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit; nicht jedes Netzwerk ist erfolgreich. Das Programm „Managing Global Governance“ (MGG) ist ein politikrelevantes Netzwerk mit Akteur*innen aus Brasilien, China, Deutschland und anderen EU-Ländern, Indien, Indonesien, Mexiko und Südafrika. Seine 15-jährige Geschichte zeigt, wie sich Netzwerke langfristig entwickeln und Wirkung erzielen können.

MGG bringt Regierungseinrichtungen, Think Tanks und Forschung sowie Organisationen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen, die sich auf globale Fragen, insbesondere die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und das globale Gemeinwohl konzentrieren. Das Programm verzahnt dafür Qualifizierung, Forschung und politischen Dialog. Es wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Seit 2007 ist die MGG Academy zentrales Element des Programms. Sie bringt junge Führungskräfte aus allen teilnehmenden Ländern zusammen und verknüpft akademisches Wissen mit Leadership-Coaching, um im Rahmen konkreter Projekte transformativen Wandel zu erzielen. Heute nehmen mehr als 430 Alumni und rund 100 Partnerinstitutionen an den Forschungs- und Beratungsprojekten des Netzwerks teil. Alle Aktivitäten stärken damit MGG als nachhaltiges System der Wissenskooperation.

15 Jahre MGG zeigen, wie transnationale Netzwerke auf verschiedenen Ebenen Wirkung entfalten können. Auf individueller Ebene konnten externe Evaluierungen bestätigen, dass MGG Academy Absolvent*innen ihre transformativen Kompetenzen entwickeln und eigene Netzwerke aufbauen können, mit positiven Effekten auf ihre berufliche Karriere. Zudem können sie Problemlösungskapazitäten in ihren Heimatorganisationen einbringen und Veränderungen auf Organisationsebene anstoßen. Dies ist etwa durch die Integration von Nachhaltigkeitsfragen in das Forschungsportfolio oder die Einrichtung neuer Forschungsprogramme geschehen. MGG hat zudem eine nachhaltige Internationalisierung von Perspektiven und Fachwissen in den Organisationen, einschließlich IDOS, bewirkt. Das Netzwerk ist Teil ihrer strategischen Infrastruktur geworden.

Auf Ebene der Organisationen hat MGG auch dadurch Veränderungen angestoßen, dass Netzwerkmitglieder Kandidat*innen für die MGG Academy oder neue Partner*innen und Themen für die Zusammenarbeit vorschlagen, fachspezifische oder Länder-Gruppen bilden und neue Instrumente zur Erweiterung des Tätigkeitsbereichs entwickeln, zum Beispiel durch Drittmittel finanzierte Projekte. PRODIGEES (2020–2025) ist ein Beispiel dafür. Als Teil des EU-Rahmenprogramms Horizont 2020 wurde es von MGG-Partnerorganisationen entwickelt und bietet ein strukturiertes Forschungs- und Gastwissenschaftler*innenprogramm, um den Zusammenhang von Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung zu untersuchen. Nach dem Vorbild von MGG entwickelt IDOS eine African-German Leadership Academy, um die Zusammenarbeit mit und zwischen afrikanischen Reformpartnerländern zu stärken. Im Rahmen von MGG wurde auch eine weitreichende Zusammenarbeit zwischen nationalen Verwaltungshochschulen in allen MGG-Ländern initiiert, die die Aus- und Fortbildungsangebote zu nachhaltiger Entwicklung im öffentlichen Sektor mitgestaltet.

Das MGG-Netzwerk entfaltet auch auf institutioneller Ebene systemische Wirkung. Das geschieht beispielsweise durch die Beteiligung an zentralen Global Governance-Foren, wie T20/G20, BAPA+40 oder dem Hochrangigen Politischen Forum der Vereinten Nationen. Des Weiteren hat das Netzwerk die Entwicklung des BMZ-Positionspapiers für die Zusammenarbeit mit globalen Partnern unterstützt. Nicht zuletzt gestalten MGG-Mitglieder Diskussionen und Kooperationsstrukturen auf UN-Ebene mit, etwa im Bereich der freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards.

Das Potenzial eines Netzwerks, Veränderungen anzustoßen, hängt von der Zusammensetzung und den Verbindungen der Akteur*innen ab. Netzwerke können Länder, politische Ebenen und Disziplinen zusammenbringen, Grenzen überwinden und Veränderungen mit den „richtigen Leuten zur richtigen Zeit“ umsetzen. Damit das Fachwissen einer heterogenen Gruppe von Mitgliedern tatsächlich genutzt werden kann, ist thematische Flexibilität entlang größerer gemeinsamer Bezugspunkte, wie dem globalen Gemeinwohl, nötig. So können die Interessen der Netzwerkmitglieder und aktuelle Entwicklungen berücksichtigt werden. Die Relevanz eines Netzwerks, die Identifikation mit ihm und die Motivation für die Mitwirkung an seinen Aktivitäten hängen in hohem Maße von der Auswahl der Kooperationsbereiche und einer gemeinsamen Definition der Ziele ab. Dies erfordert interaktive und partizipative Methoden sowie ausreichend Ressourcen, um komplexe Koordinationsprozesse innerhalb des Netzwerks zu ermöglichen. Vertrauen ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselfaktor, der Kommunikation auch in Zeiten politischer Spannungen ermöglicht. Der Aufbau eines vertrauensvollen Umfelds braucht jedoch Zeit. Dies widerspricht oft dem Wunsch nach schnellen Kooperationsergebnissen, die Netzwerke für internationale Zusammenarbeit attraktiv machen und in Anforderungen von Mittelgeber*innen formuliert werden.

Die langfristige Vision von Netzwerken Wirkung – idealerweise auf globale institutionelle Systeme – zu erzielen, muss daher von kurzfristigen Erfolgen begleitet werden, die eher auf individueller und organisationaler Ebene zu erwarten sind. Eine langfristige Orientierung ist zugleich der Schlüssel zur schrittweisen Institutionalisierung der Kooperationsstrukturen, zum Aufbau von Reputation und zur Integration weiterer Akteur*innen und Instrumente, die notwendig sind, um systemisch Wirkung zu erzielen. Die 15-jährige Geschichte des MGG-Netzwerks zeigt, dass Netzwerke durch diese Kombination globale Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen letztlich gleichzeitig angehen können.

 

YouTube-Video: The Current Column - How do transnational knowledge networks create impact?

Über die Autor*innen

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