Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: Das Ultimatum verstreicht

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen: Das Ultimatum verstreicht

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Brandi, Clara / Dominique Bruhn
Die aktuelle Kolumne (2014)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 29.09.2014)

Bonn, 29.09.2014. Am 1. Oktober 2014 endet die Frist für den Abschluss der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs) zwischen der Europäischen Union (EU) und den Staaten in Afrika, Karibik und Pazifik (AKP-Staaten). Kommt es bis dahin nicht zur Unterzeichnung, hätten zahlreiche afrikanische Länder schlechtere Exportbedingungen in die EU zu fürchten. Dieses Drohpotenzial hat neue Dynamik in die Verhandlungen gebracht: Eine Reihe neuer Partnerschaftsabkommen steht in den Startlöchern. Für die Zukunft der EU-Afrika-Beziehungen ist jetzt entscheidend, dass das in den schwierigen EPA-Verhandlungen verlorene Vertrauen zwischen beiden Partnern rasch wieder hergestellt wird.

Jahrelang hat die EU den ehemaligen Kolonien einseitige Zollpräferenzen gewährt. Nun sollen die EPAs die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten wechselseitig und damit konform zur Welthandelsorganisation (WTO) machen. Seit Jahren versucht man, sich auf die Ausgestaltung der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu einigen – insbesondere in Afrika mit bescheidener Bilanz. Deshalb setzte die EU ein „Ultimatum“. Was hat dieses fragwürdige, von einigen sogar als erpresserisch eingestufte, Vorgehen der EU bewirkt?

Seit die EU mit dem Verlust des freien Marktzugangs aus den bestehenden Interimsabkommen drohte, ist wieder Bewegung in die Verhandlungen gekommen. Denn Länder, die nicht zu den Least Developed Countries (LDCs) gehören, werden zukünftig wie alle anderen Länder mit den EU-Zöllen konfrontiert. Trotz des großen Interesses einiger Länder an den EPAs waren die Verhandlungen ein sehr schwieriges Unterfangen.

Der Faktor Regionalisierung
Die Bedeutung regionaler Handelsabkommen ist in den letzten Jahren gewachsen – auch in Afrika. Einerseits haben die Verhandlungen für die EPAs dazu beigetragen, die regionale Integration voranzubringen. Doch die fortschreitende Regionalisierung steht andererseits im Konflikt mit den EPAs. Die Regionalisierung ist oft noch nicht tief genug, um ein gemeinsames Abkommen mit der EU zu schließen. Auch ist der Entwicklungsstand der Länder recht unterschiedlich, was sich auch auf ihre Einstellung zu den EPAs auswirkt. Dies wird am Beispiel Ost-Afrikas deutlich: Während LDCs wie Tansania und Uganda unter dem allgemeinen Präferenzsystem der EU weiterhin zollfreien Zugang zu europäischen Märkten haben werden, drohen weiter entwickelten Ländern wie Kenia schmerzhafte Exporteinbußen. Eine gemeinsame Verhandlungsposition zu finden, gestaltet sich deshalb oft schwierig.
 
Marktzugang nicht um jeden Preis
Die AKP-Staaten stehen dem Ultimatum und den EPAs zunehmend kritisch gegenüber. Ein wichtiger Streitpunkt ist das Anliegen der afrikanischen Staaten, ihre Wirtschaft mithilfe handels- und industriepolitischer Instrumente zu schützen und zu fördern. Die EPAs sollen aber reziprok gestaltet sein: Auch die AKP-Staaten müssen ihre Märkte öffnen, damit handelsverzerrende Instrumente abgeschafft werden. Kritiker befürchten deshalb eine Überschwemmung der Märkte mit EU-Produkten und eine Schwächung der heimischen Industrien. Auch die Einnahmen ressourcenreicher Länder durch Exportsteuern möchte die EU, nicht zuletzt aufgrund ihres Interesses an Rohstoffen, unterbinden. Ein Kompromiss scheint trotz der harten Strategie der EU dennoch möglich. Namibia ist es im Rahmen der EU-Verhandlungen mit dem südlichen Afrika gelungen, seinen präferentiellen Marktzugang zu erhalten und gleichzeitig die EU zu bedeutsamen Zugeständnissen in den umstrittenen Bereichen zu bewegen.

Welche Bilanz lässt sich mit dem Verstreichen des Ultimatums ziehen? Die Position der afrikanischen Länder im globalen Handelssystem hat sich verändert. Erstens setzt man sich bewusster mit den Implikationen der Handelsliberalisierung auseinander; der Spielraum der Politik für entwicklungsfördernde Maßnahmen, beispielsweise im Bereich Industriepolitik, wird nicht leichtfertig für den präferentiellen Zugang zu EU-Märkten aufgegeben. Zweitens haben die afrikanischen Staaten ihre Verhandlungsposition durch verstärkte regionale Süd-Süd-Integration gefestigt und an Selbstvertrauen gewonnen. Nichtsdestotrotz ist und bleibt die EU ein wichtiger Markt für viele afrikanische Produkte.

In den EPA-Verhandlungen ist viel Porzellan zerschlagen worden. Zwar wurden einige EPAs noch vor dem Verstreichen der Frist unterzeichnet, angesichts der anhaltenden Skepsis bleibt aber fraglich, wie viele Länder sie letztlich ratifizieren und umsetzen werden. Die Bundesregierung und die neue EU-Führung sollten sich dafür einsetzen, dass das Vertrauen zwischen der EU und den AKP-Staaten wieder hergestellt wird. Die neuen EU-Kommissare, allen voran Cecilia Malmström für Handel und Neven Mimica für internationale Kooperation und Entwicklung, sollten sich durch vertrauensbildende Maßnahmen für eine zukunftsweisende Partnerschaft zwischen der EU und den afrikanischen Staaten stark machen. Nicht zuletzt, weil Afrika ein Kontinent der Chancen ist – auch für Europa.

Dieser Beitrag ist am 26.09.2014 unter dem Titel „Afrika - Kontinent der Chancen“ in der Neuen Zürcher Zeitung im Ressort Meinung & Debatte als Gastbeitrag der Autorinnen erschienen.

Über die Autorin

Brandi, Clara

Ökonomie und Politikwissenschaft

Brandi

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