Neujahrsansprache 2030

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“

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Kloke-Lesch, Adolf
Die aktuelle Kolumne (2017)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 22.12.2017)

Berlin, 31.12.2029


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

an der Schwelle zu den dreißiger Jahren möchte ich einen Blick zurück auf das Jahr 2015 werfen. Damals hatte eine meiner Vorgängerinnen zusammen mit den Staats- und Regierungschefs aller Länder der Erde einen Aktionsplan „für die Menschen, den Planeten und den Wohlstand“ beschlossen, der auch „den universellen Frieden in größerer Freiheit festigen“ sollte: Die 2030 Agenda für nachhaltige Entwicklung. Im selben Jahr hatte man sich auch verständigt, den Anstieg der Erderwärmung unter 2° zu halten. Im Jahr 2015 verzeichneten wir aber auch einen bis dahin einmaligen Zustrom von Flüchtlingen.

Vielen mag dies wie eine verblasste Erzählung aus anderer Zeit erscheinen. Immer öfter aber fragen mich junge Menschen, warum damals nicht entschlossener gehandelt wurde. Warum wir erst durch schwere Krisen gehen mussten. Ich bin froh, dass wir im September beim Nachhaltigkeitsgipfel am neuen Sitz der Vereinten Nationen in Hongkong eine wohl optimistische Bilanz ziehen werden.

Im Jahre 2019 endete der erste Überprüfungsgipfel zur 2030 Agenda in einem Fiasko. Die USA hatten sich nach ihrem Ausstieg aus dem Klimaabkommen auch der 2030 Agenda weitgehend verweigert. Die Europäische Union war nach dem Schock der Europawahlen diplomatisch gelähmt. Gleichzeitig fanden sich die Länder Afrikas nicht bereit, den Gipfel mit Leerformeln zu retten. Dieser Rückschlag blieb nicht ohne Auswirkungen auf andere Bereiche. Die Umsetzung des Klimaabkommens und das Welthandelssystem gerieten ins Trudeln.

Auch bei uns verflog der Zauber des Anfangs bei der Umsetzung der 2030 Agenda. Wahlen in kurzen Abständen führten dazu, dass die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie nicht fortgeschrieben wurde und die Energiewende vor den Braunkohlerevieren zum Stehen kam. Die politischen Parteien erschöpften sich in wahltaktischen Manövern und waren nicht in der Lage, die 2030 Agenda als Innovationsmotor zu verstehen. Stattdessen stieg der Problemdruck.

Anfang der zwanziger Jahre lösten Extremwetterereignisse weltweit gewaltige Fluchtbewegungen aus. Zeitgleich mit dem Rückgang des Welthandels wurden die Folgen der Digitalisierung der Arbeitswelt spürbar. Mit den Digitalen Ludditen entstand eine militante globale Bewegung von Maschinenstürmern. Ungleichheiten und Spannungen nahmen zu.

Die Verzweiflung führte aber nicht nur zu Resignation und Gewalt. Immer mehr Menschen nahmen die Umgestaltung ihrer Welt in die eigenen Hände: Zuhause, in ihren Dörfern und Städten, in ihren Unternehmen und Verbänden. Diese Bewegung hat gerade in vielen Teilen Afrikas, der Heimat meiner Eltern, zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensverhältnisse geführt. In Deutschland konnte durch Absprachen zwischen Einzelhandel und Verbrauchern die Nahrungsmittelverschwendung halbiert werden. Unsere Ernährung wurde nicht nur gesünder und kostengünstiger, sie belastet heute auch weniger die Böden und Gewässer in anderen Teilen der Welt. Auch die Integration der zweiten Flüchtlingswelle und die damit einhergegangene Wiederbelebung alter Industriegebiete und ländlicher Räume ist in erster Linie ein Erfolg von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern.

In Europa merkte diese Bewegung aber bald, dass Vergleichbares in Bereichen wie Verkehr oder Energie nur gelingen würde, wenn sich die Regierungen aus der Gefangenschaft von Konzernen befreiten und eine kreative ökologische und soziale Marktwirtschaft erlaubten. In kurzer Zeit löste diese Bürgerbewegung eine Veränderung der Parteienlandschaft aus, bei der Einheit, Erneuerung und nachhaltige Entwicklung Europas zusammen gedacht wurden. Aus vielen Wahlen gingen breite Koalitionen des Aufbruchs hervor.

Auch international hellte sich das Klima auf, nachdem in den USA ein Bündnis fairer und grüner Städte eine unabhängige Bewerberin ins Präsidentenamt getragen hatte. Im Jahr davor hatte ihr Vorgänger noch den Austritt der USA aus den Vereinten Nationen vollzogen, nachdem dort auf Initiative der damals neugewählten chinesischen Regierung die Schutzverantwortung für Menschen und Erde beschlossen worden war. Wo Regierungen versagen, kümmert sich heute der umgestaltete VN-Sicherheitsrat nicht nur um gefährdete Bevölkerungsgruppen, sondern auch um bedrohte Tropenwälder. Ein Beschluss zur Schließung der letzten Kohlekraftwerke der Welt ist in Vorbereitung.

Heute können wir mit Zuversicht in das neue Jahrzehnt schauen. Wenn wir Kurs halten, wird gutes Leben für alle möglich, in größerer Freiheit und im Einklang mit den Schätzen und der Schönheit unserer Erde. Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz auf diesem Wege und wünsche Ihnen ein gesundes und glückliches Jahr 2030.

Eine Version dieses Textes ist in der Frankfurter Rundschau erschienen.

 

Über den Autor

Kloke-Lesch, Adolf

Stadt- und Regionalplanung

Kloke-Lesch

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