Politische Ökonomie der Infrastrukturversorgung der Armen: Trink- und Abwasser in Lateinamerika
Projektbeschreibung
Fragestellung:
Eines der drängendsten entwicklungspolitischen Probleme besteht darin, der armen Bevölkerung in Entwicklungsländern den Zugang zu Infrastrukturdienstleistungen (hier: Bildungs-, Gesundheits-, Wasser- und Energiedienstleistungen) zu ermöglichen bzw. deren Qualität zu verbessern. Die Versorgung mit diesen Leistungen ist ein wesentlicher Schritt zum Erreichen der Millennium Development Goals (MDG).
Bis Ende der 80er Jahre wurden Infrastrukturdienstleistungen in Entwicklungsländern in erster Linie durch staatliche Organisationen bereitgestellt. Dieses staatliche Versorgungsmodell wurde in den 90er Jahren, auch mit Unterstützung der internationalen Geber, durch eine zunehmende Privatisierung und Liberalisierung der Infrastruktursektoren abgelöst. Die Erfahrungen zeigen, dass Privatisierung und Liberalisierung nur dann zu einer umfassenden Verbesserung der Leistungen führen, wenn sie durch eine geeignete Regulierung ergänzt werden. Außerdem ist klar, dass die Einführung eines marktorientierten Modells nicht automatisch zu einer Verbesserung der Versorgungssituation der Armen führt.
Diese Erkenntnisse haben zu einer Ernüchterung geführt, was die Erwartungen an die Marktkräfte betrifft, sowie zu einer gewissen Orientierungslosigkeit, was das ideale Versorgungsmodell im Infrastrukturbereich angeht. Es scheint eine systematische Benachteiligung der Armen bei der Versorgung mit Infrastruktur zu geben, die unabhängig vom gewählten (staatlichen oder marktorientierten) Versorgungsmodell ist.
Anhand einer Untersuchung des Trinkwassersektors in Lateinamerika soll den Ursachen für die systematische Benachteiligung der Armen auf den Grund gegangen werden sowie nach den politischen Instrumenten für deren Überwindung geforscht werden. Es wird postuliert, dass die Ursachen jenseits der Dimension Eigentum (private versus staatliche Leistungserbringer) zu suchen sind. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Interaktion der Dimensionen ökonomisches und politisches Anreizsystem an.
Erste Ergebnisse:
Die Hauptursachen für die Unterversorgung der Armen mit Infrastrukturdienstleistungen sind in ihrer geringen Kundenmacht (client power) sowie in ihrer geringen politischen Mitsprache (voice) zu sehen. Diese beiden Merkmale wirken sich im Trinkwasserbereich besonders negativ aus, da ein Ausbau der Versorgung mit hohen Fixkosten verbunden und somit auf eine hinreichend kaufkräftige Nachfrage angewiesen ist und da bei Allokationsentscheidungen häufig politische Faktoren ausschlaggebend sind. Maßnahmen müssen daher auf eine Stärkung der voice und der client power der Armen zielen.
Ein mögliches Maßnahmenbündel zur Stärkung der voice ist die Dezentralisierung der Verantwortung für Trinkwasserversorgung auf kommunale Ebene (Stärkung der accountability in der Beziehung Bürger-Staat und dadurch indirekt in der Beziehung Staat-Leistungserbringer) bei gleichzeitiger Vorschrift und Sanktionierung von Anschlussverpflichtungen von unterversorgten Haushalten durch eine von den Interessen auf kommunaler Ebene unabhängigen Aufsichtsbehörde (Stärkung der Interessen der Armen).
Ein mögliches Maßnahmenbündel zur Stärkung der client power ist die Erhöhung der Wahlmöglichkeiten der Kunden durch eine Förderung des Wettbewerbs bei gleichzeitiger Stärkung der Kaufkraft der armen Kunden durch gezielte Subventionen. Ein wichtiger Einflussfaktor für die Zielgenauigkeit von Subventionen ist die Ausgestaltung des Subventionsmechanismus. Dieser kann nur zielgenau sein, wenn das Berechtigungskriterium (nach technischen Gesichtspunkten) zielkonform definiert wird und die Entscheidung über den Erhalt der Subvention einer unabhängigen Kontrolle unterliegt.
Publikationen zum Themengebiet
Krause, Matthias (2005): Versorgung der Armen mit Infrastruktur: Bedeutung der Governance, Externe Publikationen
Krause, Matthias (2004): Erneuerbare Energien: tragen sie zum Klimaschutz und zur ländlichen Entwicklung bei?, Externe Publikationen 2004
Wiemann, Jürgen / Matthias Krause / Susanne Neubert / Peter Wolff (2003): Weltentwicklungsbericht 2004 der Weltbank: Making Services Work for Poor People, Manuskripte öffentlich
Krause, Matthias / Stefan Jansen / Stefanie Jung / Silvia Paschke / Michael Rösch (2003): Sustainable provision of renewable energy technologies for rural electrification in Brazil: an assessment of the photovoltaic option, Berichte und Gutachten 10/2003
Krause, Matthias (2002): Restrukturierung der Stromwirtschaft: Aufgaben für Staat und Entwicklungszusammenarbeit, Berichte und Gutachten 8/2002
Krause, Matthias (2002): Restructuring the Electricity Industry: Latin American Experiences. Demands on the Public Sector and Tasks for Development Cooperation, Manuskripte öffentlich