Die Republik Senegal am politischen Wendepunkt: zum Amtsantritt von Staatspräsident Faye

Die Republik Senegal am politischen Wendepunkt: zum Amtsantritt von Staatspräsident Faye

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Grütjen, Klaus
Policy Brief 10/2024

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS)

DOI: https://doi.org/10.23661/ipb10.2024

Am 24. März 2024 fanden im Senegal Wahlen für das Amt des Staatspräsidenten statt. Aus ihnen ging der zu diesem Zeitpunkt 43-jährige Oppositionspolitiker Bassirou Diomaye Diakhar Faye als Sieger hervor. Am 02. April 2024 übernahm er die Amtsgeschäfte als fünfter Präsident der Republik Senegal. Dieses Ereignis könnte einen Wendepunkt in der jüngeren Geschichte des Landes darstellen. Es belegt einmal mehr dessen Sonderstellung im gesamtpolitischen Kontext der Re-gion Westafrika/Sahel, in der es in den letzten Jahren vermehrt Machtergreifungen durch Militärs gegeben hat. Diese Wahl ist gegenläufig zu einem derzeit auch weltweiten Trend zur Autokratisierung. Seit drei Jahren durchlief Senegal eine tiefgreifende politische Krise, die den Verfassungsstaat an die Grenzen seiner Belastbarkeit brachte. Zwar stellten währenddessen die staatlichen Institutionen ihre Stabilität und Widerstandskraft unter Beweis, und es konnten die Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaates unter entscheidender Mitwirkung einer starken Zivilgesell-schaft bis auf Weiteres gesichert werden. Schwächen aber zeigten sich während dieser Krise in den Bereichen der Justiz sowie in der Meinungs- und Pressefrei-heit. Sicherheitskräfte schlugen gewaltsam Proteste und Demonstrationen nieder, die sich von Teilen der Bevölkerung gegen die als rechtswidrig angesehene Festnahme und Inhaftierung von Oppositionspolitikern richteten. Diese Maßnahmen forderten Dutzende von Todesopfern und mehrere hundert Verletzte. Weit mehr als tausend Menschen wurden inhaftiert, ohne dass ein ordentliches Gerichtsverfahren eingeleitet wurde. Bis zehn Tage vor seiner Wahl befand sich selbst Faye noch unter diesen Bedingungen in Haft. Umso erstaunlicher ist es, dass und wie es dem Senegal gelungen ist, diese Krise zu überwinden. Der vorliegende Beitrag untersucht die politischen, gesellschaftlichen und verfassungsrechtlichen Faktoren, die zu dem sich abzeich-nenden günstigen Ausgang dieses Konfliktes führten. Die Krise, die einstweilen ein glückliches Ende nahm und das Programm des neuen Präsidenten legen nahe, dass auch Senegal die seit einigen Jahren in der Region Westafrika/Sahel zu beobachtende Tendenz einer Neudefinition des Staates sowie des Profils seiner Aufgaben, Befugnisse und Leistungen aufgreift, und zwar mit demokratisch fundierten Lösungsansätzen. Faye und seine Mitstreiter sagten der seit Langem etablierten politischen Klasse den Kampf an. Seinen Wählern versprachen sie grundlegende Reformen der staatlichen Institutionen, eine Rationalisierung und Ver-schlankung der öffentlichen Verwaltung und dass sie die in den letzten Jahren deutlich angestiegenen Tendenzen von Korruption, Klientelismus und Veruntreu-ung öffentlicher Finanzen, Güter und Ressourcen entschieden bekämpfen würden. Hierfür gaben ihnen die Wähler und Wählerinnen mit ihrem eindeutigen Votum einen klaren Auftrag. Mit dem Amtsantritt von Präsident Faye werden auch die Kräfteverhältnisse innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (Economic Commu-nity of West African States - ECOWAS) teilweise neu bestimmt. In den nächsten Jahren wird es in verschiedenen Staaten der Region zu weiteren Verschiebungen zugunsten einer jüngeren Generation politischer Eliten kommen. Deutschland und die Europäische Union werden sich künftig noch stärker damit auseinandersetzen müssen, dass sich die afrikanischen Nationen auf ihre eigene kulturelle Identität besinnen und im politischen Diskurs immer stärker ihren Anspruch betonen, ihre Souveränität durchzusetzen.

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