Think7: G7 stehen vor richtungsweisenden Entscheidungen für das Wohlergehen der Menschheit

Pressemitteilung vom 25.06.2022

Neben ambitionierterem Klimaschutz müssen die großen Industrieländer mehr zu Bekämpfung der weltweiten Nahrungs- und Schuldenkrise tun und Gesundheitssystem weltweit resilienter machen. Bisher versäumen es die G7, ihre Bürger vor den Digitalkonzernen und Datenmissbrauch zu schützen. Zudem fehlt es weiter an gemeinsamen Standards, um Fortschritte bei sozialen und ökologischen Projekten zu messen.


Elmau/Garmisch-Partenkirchen, 25. Juni 2022 - Unmittelbar vor dem G7-Gipfel haben führende Wissenschaftler von G7-Thinktanks heute zentrale Empfehlungen an die Staats- und Regierungschefs ausgesprochen, die sich ab morgen im bayerischen Elmau treffen. Die G7 müssten jetzt die nötigen Instrumente schaffen, um mit den zahlreichen Krisen und Herausforderungen auf der Welt umzugehen, betonten Dennis Snower und Axel Berger als Vertreter der G7-Thinktankgruppe „Think7“ vor Journalisten im Internationalen G7-Medienzentrum in Garmisch-Partenkirchen. „Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen. Die G7 werden sich große Mühe geben müssen, diese gleichzeitig zu bekämpfen und zukünftig besser noch gar nicht erst entstehen zu lassen. Bisher haben wir das Gegenteil erlebt: Während eine neue Krise entsteht, ist die vorherige noch gar nicht bewältigt.“ DieThink7 sind eine der sieben vom Bundeskanzleramt offiziell mandatierten G7-Engagementgruppen. Sie hat die deutsche G7-Präsidentschaft eng begleitet und vor rund einem Monat ein Abschluss-Communiqué an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben.

Die zentralen Empfehlungen der Think7 lauten:

Wohlstand vielschichtiger messen

Die G7 sind sich darin einig, dass die geopolitische Lage, gesellschaftliche Spaltungen und die Klimakrise eine umfassende sozioökonomische und ökologische Transformation erfordern. Allerdings haben sie sich nicht auf gemeinsame Standards zur Messung der Transformation geeinigt. „Gemessen werden bisher nur die wirtschaftlichen Kennzahlen, allen voran das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Es ist damit der wichtigste Erfolgsmaßstab für politisches Handeln weltweit. Angesichts der tiefgreifenden Umgestaltung der Umwelt-, Bildungs- und Sozialpolitik brauchen wir dringend eine Metrik, mit der auch diese Ziele gemessen werden können. Die G7 sollte daher zusätzlich zum BIP jährlich ermitteln, wie sich die Solidarität, die Selbstbefähigung der Menschen und die Umweltnachhaltigkeit entwickeln. Denn ohne Erfolgsmessung gibt es keinen Erfolg“, betont Dennis J. Snower, Präsident der Global Solutions Initiative und einer der beiden Vorsitzenden der Think7. Unterstützung erhält die Forderung von rund hundert renommierten Forscherinnen und Forschern, die dieser Tage einen Aufruf für ein anderes Modell zur Wohlstandsmessung unterzeichnet haben.

Klimaschutz und Biodiversität stärken

Die G7 müssen ihre Zusagen für internationale Klimafinanzierung einhalten und ihre Finanzregulierung so reformieren, dass automatisch mehr nachhaltige Investitionen getätigt werden. „Der vorgeschlagene G7 Climate Club muss den multilateralen Klimaprozess unterstützen und darf diesen nicht unterminieren. Wenn wir darüber reden, müssen wir allerdings auch noch stärker die Auswirkungen auf Entwicklungsländer mitdenken”, sagt Axel Berger.

Die Fortschritte beim Klimaschutz müssen ebenfalls an umfassenden Indizes gemessen werden, betonen die Think7-Experten: Es gehe nicht nur darum zu messen, wie sich der materielle Wohlstand und der ökologische Fortschritt durch die ökologische Transformation verändern. Sondern auch darum, eine ökologische Transformation sicherzustellen, die den sozialen Zusammenhalt und die individuelle Handlungsfähigkeit der Menschen stärkt. „Just transition darf nicht nur beim Abschied von der Kohle gelten, sie muss auch für den Aufbau der klimafreundlichen, gesellschaftlich integrierenden Energieversorgung das Leitbild sein“, fordert Dennis Snower.

Dialog- und Gesundheitssystem fördern

Für den Umgang mit multiplen und auch in Zukunft erwartbar sich gegenseitig verstärkenden Krisen sind widerstandsfähige, resiliente Gesellschaften essentiell. Die G7 ist gefordert, über multilaterale Kanäle und im internationalen Dialog Sozial- und Gesundheitssysteme weltweit zu stärken. Dies muss die geschlechtsspezifische Stärkung und den Abbau struktureller Diskriminierung von Frauen und ihrer spezifischen Bedürfnisse für soziale Absicherung, Gesundheit um im Umgang mit Krankheitslast, umfassen.

G7 muss bei Digitalisierung und Dateneigentum aufwachen

Globale Digitalkonzerne werden immer größer und dominieren zunehmend ganze Wirtschaftsbereiche. Liberale Demokratie, soziale Teilhabe, Freiheit der Wissenschaft und Pressefreiheit werden durch die Macht der Digitalkonzerne heute schon bedroht. „Im Bereich unserer digitalen Netzwerke, die für unsere Einbindung in die Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend wichtig sind, sind die Digitalkonzerne heute schon die wahren Machthaber“, sagt Dennis Snower. „Das lässt an einen digitalen Feudalismus denken, den die G7 nicht akzeptieren dürfen. Sie müssen endlich einen einheitlichen Rechtsrahmen schaffen, um digitalen Nutzern wahre Kontrolle über ihre persönlichen Informationen zu ermöglichen und dafür sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger in der Online-Welt die gleichen Rechte, den gleichen Schutz und die gleichen Möglichkeiten erfahren wie in der Offline-Welt“, fordert der Think7-Vorsitzende.

Multilateralismus schützen

Die Think7 sind sich einig, dass sich die großen globalen Probleme nur in multilateralen Foren wie der G7 und der G20 lösen lassen. Daran ändert der russische Angriff auf die Ukraine nichts. Vielmehr können multilaterale Foren Teil der Lösung sein. „Wenn man vom Ende herdenkt, bleibt nichts anderes übrig, als auch mit jenen Ländern zu reden, die die eigenen Werte nicht teilen. Denn dies nicht zu tun, führt weniger zu Lösungen der globalen Probleme, sondern leistet nur der Blockbildung auf der Welt Vorschub“, sagt Snower.

„Die G7 ist ein notwendiges Forum, es reicht aber allein nicht aus. Die G7 tut gut daran, Partner vom afrikanischen Kontinent und große Schwellenländer aus der G20 nach Elmau einzuladen. Denn nur wenn die Aktionen der G7 in inklusivere, multilaterale Foren eingebettet sind, kann sie wirksam sein”, sagt Berger.

Die Think7 stützen sich in ihrer Bewertung auf mehr als 70 Politikvorschläge, die von mehr als 300 Forschern an 150 Thinktanks und Organisationen in den G7 und darüber hinaus erarbeitet wurden. Die Essenz der Empfehlungen ist im Think7 Communiqué zusammengefasst, das Ende Mai von Vertretern der Think7 an den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz übergeben wurde.

Die Think7 sind eine von mehreren Engagementgruppen der deutschen G7-Präsidentschaft. Die Gruppe entwickelt und unterbreitet forschungsbasierte Politikempfehlungen zur Unterstützung der G7-Präsidentschaft. Der Think7-Prozess begann Anfang des Jahres mit einer virtuellen Auftaktkonferenz. Er wurde in vielen Arbeitsgruppensitzungen sowie auf dem Global Solutions Summit fortgesetzt und fand Ende mit dem Think7 Summit und der Übergabe des Think7-Communiqués an Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Abschluss. Der Think7-Prozess wird gemeinsam von der Global Solutions Initiative und dem German Institute of Development and Sustainability (IDOS) (bislang: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)) während der deutschen G7-Präsidentschaft 2022 koordiniert, die dafür vom deutschen Bundeskanzleramt mandatiert worden sind.