Vier Punkte, wie die Entwicklungspolitik der Corona-Pandemie begegnen sollte

Vier Punkte, wie die Entwicklungspolitik der Corona-Pandemie begegnen sollte

Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn, formuliert einen Vier-Punkte-Plan, wie die deutsche und internationale Entwicklungspolitik der Corona-Pandemie begegnen sollte.

Pressemitteilung vom 06.04.2020

Die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus macht auch vor Entwicklungsländern nicht Halt, steht dort sogar noch am Anfang. Die meisten Länder haben bereits strikte Maßnahmen zu seiner Eindämmung eingeleitet. Angesichts der Lebensumstände sind sie allerdings wesentlich schwerer als in den reicheren Ländern umzusetzen. „Bereits unmittelbar und zunehmend leiden die Entwicklungs- und Schwellenländer besonders unter der einsetzenden globalen Rezession, der Unterbrechung von Lieferketten und den Preisschocks bei Rohstoffen. Viele Länder werden auch Einbrüche im Tourismus, bei Gastarbeiterüberweisungen und im internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen verzeichnen. Einige Märkte sind schon jetzt von einer massiven Kapitalflucht betroffen“, sagte Anna-Katharina Hornidge, Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), anlässlich der Einschätzung der Folgen der Corona-Pandemie. „Der wirtschaftliche Schock wird zunächst vor allem die Menschen treffen, die stark in globale Wertschöpfungsketten eingebunden sind und keine Rücklagen oder keinen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen haben.“

„Die deutsche und internationale Entwicklungszusammenarbeit muss daher schnell und umfassend reagieren. Sie muss globale, insbesondere auch finanzielle, Verantwortung auch für diese Länder und Regionen übernehmen“, so Hornidge. „Deutschland ist hier kurzfristig in der Lage, wichtige Signale an Entwicklungs- und Schwellenländern zu senden und wird ab Juli mit der Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union auch in einer weiteren verantwortungsvollen Rolle sein“, formuliert die Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik weiter.

Unter Bezug auf Analysen und Einschätzungen der Mitarbeiter*innen des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) stellt Anna-Katharina Hornidge die folgenden vier zentralen Handlungsempfehlungen für die deutsche Entwicklungspolitik heraus:

  1. Kurzfristige Unterstützung der Gesundheitssysteme für den Umgang mit Covid-19

    Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte kurzfristig in erheblichem Umfang multilateral und bilateral technische und finanzielle Hilfen bereitstellen, um die Gesundheitssysteme in Entwicklungsländern und Schwellenländern unmittelbar im Umgang mit der Krise zu stärken. Konkret bietet sich die Schaffung und substantielle Unterstützung eines internationalen Hilfsfonds an. Dies wurde auch bereits durch die norwegische Regierung vorgeschlagen. Über diesen sollte die Beschaffung medizinischer Geräte und die medizinische Versorgung in besonders schlecht gerüsteten Gegenden, wie auch informellen Siedlungen, Flüchtlingslagern, sichergestellt werden. Um dies zu ermöglichen, sollten schnell zusätzliche Mittel u.a. für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), das Welternährungsprogramm oder das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) bereitgestellt werden.

  2. Grundeinkommen für besonders verletzliche Gruppen schaffen

    Um die Beschäftigungs- und Einkommenseinbrüche aufzufangen, die die unterbrochenen weltweiten Lieferketten verursachen, könnten über Transferleistungen oder bedingungslose Grundeinkommen in den Entwicklungs- und Schwellenländern vorübergehend Existenzen gesichert werden. Hierzu müssten entsprechende Systeme dieser Länder direkt mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden.

  3. Liquiditäts-, Finanz- und Verschuldungskrisen der Entwicklungs- und Schwellenländer abwenden

    Internationale Finanzinstitutionen und weltweite, koordinierte Konjunkturprogramme müssen negative makro-ökonomische Effekte so gut wie möglich abmildern. Adäquate Mittel sind hier die Bereitstellung von Mitteln für und über die Multilateralen Entwicklungsbanken wie Weltbank und Afrikanische Entwicklungsbank sowie den Internationalen Währungsfonds (IWF). Dabei sollten einheitliche Prinzipen der Kreditvergabe durch die internationalen Finanzinstitutionen vereinbart werden. Neu aufgelegte Konjunkturprogramme – nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer – sollten das Ziel haben, die Krisenresilienz der Länder insgesamt zu erhöhen, die Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaften abzubauen und die Transformation unserer Produktionssysteme zur Nachhaltigkeit und Klimaneutralität vorantreiben. Ein zentrales Forum für ein konzertiertes Vorgehen sollte die G20 sein. Deutschland sollte im Kontext seines bevorstehenden EU-Ratsvorsitzes eine führende Rolle der EU in der G20 zu diesem Thema vorantreiben, gerade auch zusammen mit Italien, das im nächsten Jahr die G20-Präsidentschaft innehaben wird.

  4. Systeme der Früherkennung und Bewältigung von Krisen stärken

    Die deutsche Entwicklungspolitik sollte im Rahmen bilateraler und multilateraler Initiativen dazu beitragen, mittelfristig die strukturellen Voraussetzungen für Krisenerkennung und Krisenmanagement in den Partnerländern zu stärken. Frühwarnsysteme, unter Nutzung digitaler Informationssysteme und existierender Systeme der Wissensvermittlung wie Medien, Bildung, Katastrophenschutz, müssen so gestaltet werden, dass alle Bevölkerungsgruppen, auch in abgelegenen Regionen und unabhängig von Alphabetisierungsgraden, zeitnah in die Maßnahmen der Krisenbewältigung einbezogen werden können. Mittels der Stärkung kritischer Reflexions- und Diskussionsfähigkeit in Lehrcurricula müssen die gesellschaftlichen Kapazitäten für den Umgang mit Krisen gestärkt werden.

Die Pandemie und ihre zunehmenden Auswirkungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern fordern die deutsche Entwicklungspolitik auf, ihre Leitbilder zu reflektieren. „Es gilt, Strukturförderungen vorzunehmen. Dies würde die gesellschaftlichen Kapazitäten, mit rasantem und unberechenbarem Wandel, schleichenden wie auch plötzlichen Veränderungsprozessen und Krisen umzugehen, ausbauen und nachhaltig stärken. Dies umfasst infrastrukturelle Maßnahmen wie den Ausbau von Gesundheitssystemen genauso wie die Integration reflexiver Methoden in Schulcurricula, um Fähigkeiten zur individuellen Situationserfassung und Handlung zu stärken“, so Anna-Katharina Hornidge und fährt fort: „Mit dem Ziel, nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen, müssen die Prinzipien ‚Vorsorge‘ und ‚Resilienz‘ viel stärker als bisher in den Vordergrund gerückt werden.“

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