Frauen, Wasser und WLAN

Wie Digitalisierung und Technologie die Arbeit von Frauen auf See und entlang des Amazonas stärken

Wie Digitalisierung und Technologie die Arbeit von Frauen auf See und entlang des Amazonas stärken

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Hägele,Ramona / Juliana Arcoverde Mansur
Die aktuelle Kolumne (2023)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 19.06.2023

Bonn, 19. Juni 2023. Die synergetische Wechselbeziehung zwischen Frauen, Wasser und WLAN bleibt im akademischen und politischen Diskurs weitgehend unbeachtet, obgleich sie einerseits das Empowerment von Frauen und deren Aufstieg in Führungsrollen ermöglicht und andererseits zur Nachhaltigkeit in den Bereichen Klimaprognose, Umweltschutz und nachhaltiges Wasserressourcenmanagement beiträgt.

Digitalisierung und WLAN ermöglichen nachhaltiges Wasserressourcenmanagement und sind wichtige Werkzeuge für die Eindämmung des Klimawandels. Unsere Gewässer sind stark bedroht: Wasserknappheit, Verschmutzung und Versauerung haben tiefgreifende Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme. Allerdings wirken sich geschlechtsspezifische Vorurteile, Machtasymmetrien und Ungleichheiten in der Wasserwirtschaft, etwa in der Fischerei, und der verwandten Forschung auf Frauen und ihren Beitrag zu Klimaschutz und –anpassung aus.

Frauen in den Meereswissenschaften

Die Meereswissenschaften dienen dem Verständnis unserer Ozeane, unseres größten Wasserkörpers, der 71% der Erdoberfläche bedeckt. 38% der weltweit in diesem Bereich Forschenden sind Frauen. Eine größere intersektionelle Diversität würde die Möglichkeit bieten, weitere Netzwerke in den Meereswissenschaften zu mobilisieren. Jüngsten Untersuchungen zufolge haben von 28 befragten Meereswissenschaftlerinnen 18 körperliche oder verbale sexuelle Belästigung durch männliche Kollegen und Vorgesetzte in ihrem Arbeitsumfeld erfahren, sei es auf Forschungsschiffen, im Labor oder auf Konferenzen. Vor allem Frauen, die einen anderen kulturellen, nationalen und sprachlichen Hintergrund als ihr berufliches Umfeld haben, erlebten Diskriminierung aufgrund von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Klasse und Sprache.

Neue Technologien, insbesondere Fernerkundung, Satellitendatenübertragung und WLAN, tragen jedoch dazu bei, dass immer mehr Frauen in die Meereswissenschaften arbeiten. Beispielsweise dürfen schwangere Frauen nicht an Forschungsfahrten teilnehmen. Dank WLAN an Bord von Forschungsschiffen können Frauen nun aus der Ferne an der Organisation der Arbeit auf See, an methodischen und theoretischen Debatten und an der Diskussion vorläufiger Ergebnisse teilnehmen. Darüber hinaus haben Frauen an Land dank der Direktübertragung von Daten über Satelliten Zugang zu Echtzeitdaten. Mithilfe von Technologien, vor allem WLAN können Frauen, z. B. vom Forschungsschiff aus, sexuelle Belästigung öffentlich und direkt sichtbar machen.

Frauen in der landwirtschaftlichen Produktion und im Tourismus entlang des Amazonas

Technik und Digitalisierung sind auch Wegbereiter für das Empowerment von Frauen im Norden Brasiliens, insbesondere auf der Insel Combu, wo Frauen mit Hilfe von Funknetzen in den Bereichen landwirtschaftlicher Produktion und nachhaltigem Tourismus eine führende Rolle übernehmen.

Frauen sind auch maßgeblich an der Erhaltung lokaler Gemeinschaften und der Förderung nachhaltiger Praktiken beteiligt. Dies zeigt sich zum Beispiel bei Filha do Combu, einer Schokoladenproduktion, und Saldosa Maloca, einem Restaurant mit Kulturangeboten, die ausschließlich von Frauen geführt werden, die durch ihr Aufwachsen im Amazonas innovativere und vielseitigere Entscheidungen treffen können. So können sie Kund*innen mehr Empathie entgegenbringen und enge Beziehungen zu ihnen aufbauen. Das fördert die Zusammenarbeit, Integration und gegenseitige Unterstützung. Durch die sich verändernden Bedingungen entlang des Amazonas müssen sich Frauen ständig anpassen und stärken damit ihre Widerstandsfähigkeit.

Um den Fluss und seine Ökosysteme zu schützen, wird der Kulturtourismus in Booten über eine digitale Plattform gesteuert. Satellitendaten über die Gezeiten und den Wasserzufluss für die Mühlen sowie QR-Codes an den Bäumen zur Identifizierung und zur Nutzung von Pflanzenverzeichnissen haben die Energieeffizienz und die Kakaoernte verbessert. Dank der Digitalisierung und dem Ausbau von Kommunikationsnetzen konnten Frauen zudem ihrer Vulnerabilität als Unternehmerinnen auf der Insel entgegenwirken, was ihre Sicherheit und Sichtbarkeit verbessert hat.

Auf der Insel Combu sind die Frauen nicht nur für die Care-Arbeit zuständig, sondern fördern maßgeblich die Nachhaltigkeit. Während Männer die Insel gewöhnlich verlassen und in den Städten Arbeit suchen, bleiben die Frauen auf der Insel und erweitern ihr Wissen über und ihre Beziehung zum Fluss, zur Erde und zum Wald. Da sie am Wasser aufgewachsen sind und gelernt haben, seine Grenzen zu respektieren und um die Fruchtbarkeit des Bodens und den Reichtum des Waldes wissen, verfügen sie über einzigartige Fähigkeiten. Dieses Wissen über lokale Ökosysteme und lokale Kulturgüter trägt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt und zu einem nachhaltigeren Umgang mit der Umwelt bei.

Wasser ist vielfältig, Digitalisierung kann intersektionales Empowerment ermöglichen

Wasser ist vielfältig: Für die einen ist es Lebensgrundlage, für andere ein Forschungsobjekt, für manche ein Wirtschaftsgut und für wieder andere eine einzigartige Lebensform, wie etwa der Amazonas. In jedem Fall aber können Digitalisierung und der Rückgriff auf Technik Frauen in die Lage versetzen, nachhaltiger zu arbeiten, sich an den Meereswissenschaften zu beteiligen und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wasserressourcen zu fördern. Technologie selbst führt nicht automatisch zu Gleichberechtigung und Empowerment, aber sie kann bei entsprechend angepasster Anwendung zielführend sein. Sicherlich ist weitere Forschung erforderlich, um Hindernisse im Bereich Digitalisierung und Technologien für Frauen, die in unterschiedlicher Weise in Gewässern tätig sind, zu identifizieren. Dem Thema Intersektionalität sollte ebenfalls mehr Beachtung geschenkt werden.


Ramona Hägele ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprogramm „Umwelt-Governance“ am  German Institute of Development and Sustainability (IDOS).  Ihre Forschungsschwerpunkte sind Interdisziplinäre und transkulturelle Wissensproduktion in marinen Kohlenstoffbeobachtungen, Ethnographie und Wasser Governance.

Prof. Dr. Juliana Mansur ist Professorin und Forscherin für Organisationsverhalten an der FGV EBAPE in Brasilien und hat Psychologie und Verwaltungswissenschaften studiert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Leadership, Gender, Nachhaltigkeit und die Beziehung zwischen Organisation und Individuum. Sie lehrt Forschungsmethoden, Psychologie, Organisationsverhalten und Leadership in den Bachelor- und Masterstudiengängen an der FGV EBAPE.

Über die Autorin

Hägele, Ramona

Politikwissenschaftlerin

Hägele

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