CETA und die Reform des Investitionsschutzes: Frischer Wind oder laues Lüftchen?

CETA und die Reform des Investitionsschutzes: Frischer Wind oder laues Lüftchen?

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Berger, Axel / Henning Klodt
Die aktuelle Kolumne (2016)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 07.03.2016)

Bonn, 04.03.2016. Vergangene Woche haben sich die Europäische Union (EU) und Kanada im Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) auf grundlegende Reformen des Streitschlichtungsverfahrens für Investoren geeinigt. Eigentlich waren die CETA-Verhandlungen schon vor zwei Jahren abgeschlossen worden – es fehlte nur noch die rechtsformale Prüfung, bevor das unterschriebene Vertragswerk in den Ratifizierungsprozess gehen kann. Diese Prüfung ist üblicherweise eine reine Formsache. Doch angesichts der massiven öffentlichen Kritik innerhalb der EU, wurde sie jetzt dazu genutzt das Investitionskapitel grundlegend neu zu schreiben. Jetzt wird die Etablierung eines Investitionsgerichtshofs inklusive Berufungsinstanz vorgesehen. Dies ist eindeutig positiv zu werten. Allerdings scheut die Kommission weiterhin vor umfassenden Änderungen der materiell-rechtlichen Klagegrundlagen zurück. Ob die bei CETA angeschobenen Änderungen einen Reformschub für das gesamte internationale Investitionsschutzsystem auslösen, hängt jetzt vor allem von der Reaktion Washingtons in den Verhandlungen über die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) ab.

Nach Vietnam ist Kanada nun das zweite Land, das den europäischen Vorschlag für einen internationalen Investitionsgerichtshof akzeptiert. Dieser Schritt hat Signalwirkung, denn Ottawa verfolgte bisher eine Politik, die sich stark an den Vorstellungen der USA zum Investitionsschutz orientierte. Der Streit in Europa hat sich gerade an dieser Politik der USA entzündet. Die USA, flankiert von der Europäischen Kommission, wollten zu Beginn der Verhandlungen im Jahr 2013 einen Streitschlichtungsmechanismus in TTIP etablieren. Dieser würde es ausländischen Investoren ermöglichen, Regierungen vor privaten, nichtöffentlichen Schiedsgerichten auf Schadensersatz zu verklagen. Entsprechende Verfahren waren bislang durchaus üblich und wurden schon in tausende Investitionsabkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufgenommen. Doch die massiven Proteste in Deutschland, aber auch in anderen EU-Ländern, haben die Europäische Kommission gezwungen, die Reißleine zu ziehen. Nach einer breitangelegten öffentlichen Konsultation, die vielfältige kritische Reaktionen hervorrief, hat die EU-Kommission Ende letzten Jahres einen überarbeiteten Vorschlag vorgelegt, der auf die Reform der umstrittenen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit abzielt.

Im Mittelpunkt des neuen Vorschlags der EU-Kommission steht die Etablierung eines Investitionsgerichtshofs – auch wenn dieser nicht explizit so genannt wird. Ähnlich wie beim bewährten Streitschlichtungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO) soll der Investitionsgerichtshof mit einer vorab bestimmten Gruppe von Personen besetzt sein, die international akkreditiert und zum öffentlichen Richteramt zugelassen sind. Die Auswahl dieser Personen soll nach dem Zufallsprinzip erfolgen und nicht wie bisher durch die Streitparteien. Die Verfahren sollen öffentlich sein und es ist geplant, eine Revisionsinstanz zu etablieren. Von solch einem Gerichtshof kann erwartet werden, dass er zu abgewogeneren Urteilen gelangt und eine Kontinuität in der Rechtsprechung entwickelt, die den privaten Schiedsgerichten fehlt. Mit dieser Revision des ursprünglich geplanten CETA-Textes ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung erfolgt. Noch wichtiger wäre es allerdings diesen Schritt auch bei TTIP und weiteren künftigen Freihandelsabkommen zu gehen. Die Kommission ist dazu bereit – ob die USA mitgehen werden, ist fraglich.

Keinerlei Fortschritte hat es dagegen bei den eigentlichen Schutzstandards, auf die sich Investoren im Streitfall berufen können, gegeben. Im aktuellen EU-Entwurf ist an dieser Stelle nach wie vor vom Anspruch der Investoren auf „faire und billige Behandlung“ und auf Schutz vor indirekter Enteignung zu lesen. Die meisten Klagen internationaler Unternehmen basieren auf diesen Klauseln. Gerade diese unbestimmten Rechtsbegriffe haben maßgeblich dazu beigetragen, dass internationale Schiedsgerichte inhaltlich weitgehend identische Sachverhalte in verschiedenen Verfahren teils völlig konträr zueinander bewertet haben.

Jüngere Streitfälle wie der des kanadischen Unternehmens Bilcon gegen die kanadische Regierung auf Basis des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zeigen, dass auch reformierte Klauseln zu umstrittenen Urteilen führen können. Als Alternative zu diesen „Gummiparagraphen“ sollten die Investitionsregeln in Abkommen wie CETA oder TTIP stärker am Grundsatz der Inländerbehandlung ausgerichtet werden.

Bei CETA ist dieser Zug sicherlich abgefahren, doch bei TTIP ist noch alles offen. Falls sich allerdings nicht einmal der EU-Vorschlag eines TTIP-Gerichtshofs gegen den Widerstand der USA durchsetzen ließe (worauf manches hindeutet), wäre es wohl besser, gänzlich auf den Investorenschutz zu verzichten und TTIP als reines Handelsabkommen abzuschließen.

Axel Berger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Weltwirtschaft und Entwicklungsfinanzierung am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Henning Klodt ist Leiter des Zentrums Wirtschaftspolitik am Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.

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