Die Herausforderung für 2015: Globale Entwicklung innerhalb planetarischer Leitplanken sichern

Die Herausforderung für 2015: Globale Entwicklung innerhalb planetarischer Leitplanken sichern

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Brandi, Clara / Dirk Messner
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 09.02.2015)

Bonn, 09.02.2015. Das Jahr 2015 ist ein Schlüsseljahr für globale Kooperation. Im Juli wird die dritte VN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba stattfinden. Im September will sich die Weltgemeinschaft auf Sustainable Development Goals (SDGs) einigen, die die in diesem Jahr auslaufenden Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) ersetzen werden. Und Ende des Jahres soll in Paris ein globaler Klimavertrag verabschiedet werden.

Die Post-2015-Agenda ist ein ehrgeiziges Projekt: Die SDGs sollen alle Länder an einen Tisch bringen und dazu verpflichten, für das nationale und globale Gemeinwohl heutiger und zukünftiger Generationen zusammenzuarbeiten. Die Open Working Group (OWG) der Vereinten Nationen (VN) hat im Sommer 2014 einen Vorschlag für 17 SDGs vorgelegt. Darauf aufbauend laufen derzeit die Verhandlungen der VN-Mitgliedsstaaten. Die 17 von der OWG vorgeschlagenen Ziele stellen einen Katalog wichtiger Prioritäten für nachhaltige Entwicklung dar. Eine fundamentale Dimension findet jedoch noch nicht genügend Beachtung: die Notwendigkeit, die Stabilität des Erdsystems zu sichern, die unentbehrlich sind, um die Zukunft menschlicher Entwicklung sicherstellen zu können.

Im Laufe der letzten Dekaden war die soziökonomische Entwicklung sehr viel stärker im Fokus als die ökologische Nachhaltigkeit. Die daraus resultierenden Wachstumsmuster haben eine Reihe essentieller Erdsystemleistungen in Gefahr gebracht – und damit gleichzeitig die erzielten Erfolge in der Armutsbekämpfung und die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen.

Der SDG-Katalog sollte deshalb das Ziel „Sicherung der Erdsystemleistungen“ beinhalten. Dieses zusätzliche Ziel steht in einem engen Zusammenhang mit den „planetarischen Grenzen“ von Johan Rockström und anderen Wissenschaftlern und dem sehr ähnlichen Konzept der „planetarischen Leitplanken“ des Wissenschaftlichen Beirats für Global Umweltveränderungen (WBGU). Wenn die planetarischen Leitplanken durchbrochen werden, dann wird die Funktionsfähigkeit des Erdsystems und der „safe operating space“ für die Menschheit gefährdet und damit die Grundlage für zukünftige Entwicklung. Die planetarischen Leitplanken sind dabei keine Begrenzung für die Entwicklung der Ärmsten. Das Gegenteil ist der Fall: Das Einhalten der Leitplanken ist eine notwendige Voraussetzung für Armutsbekämpfung und menschliche Entwicklung.

Welche Unterziele (Targets) sollte das Erdsystem-SDG umfassen? Wie kürzlich vom WBGU vorgeschlagen, sollte das SDG die folgenden Umweltherausforderungen adressieren: Durch den Stopp globaler CO2-Emissionen aus fossilen Quellen bis 2070 die Erwärmung des Klimasystems auf 2 °C und die Ozeanversauerung auf den pH-Wert 0,2 begrenzen; anthropogene Treiber für den Verlust von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen bis 2050 stoppen; Netto-Land- und Bodendegradation bis 2030 stoppen; die Gefährdung durch langlebige anthropogene Schadstoffe bis 2050 stoppen, z. B. Quecksilber und Plastik; und den Verlust von nicht rückgewinnbarem Phosphor als essentielle Ressource für Landwirtschaft und Ernährungssicherheit bis 2050 stoppen.

Mit Blick auf die planetarischen Leitplanken sind die von der Open Working Group vorgeschlagenen SDGs nicht ehrgeizig genug. Lediglich drei der 17 Vorschläge nennen Umweltveränderungen, die für das Einhalten der Leitplanken relevant sind. Das vage formulierte Klimaziel SDG 13 nennt jedoch weder die 2 °C-Leitplanke noch andere operationalisierbare Grenzwerte. Das SDG 14 widmet sich den Ozeanen, Meeren und Meeresressourcen und erwähnt die Ozeanversauerung, nennt jedoch ebenfalls keine operationalisierbaren Grenzwerte dafür. Das SDG 15, das auf den Schutz terrestrischer Ökosysteme und den Erhalt der Artenvielfalt zielt, ist relativ breit formuliert, aber nicht ambitioniert genug ausgestaltet, um den Verbleib innerhalb der planetarischen Leitplanken sicherzustellen.
Die internationale Gemeinschaft sollte sich dafür stark machen, die Leitplankenperspektive stärker in den SDGs zu verankern. Selbst wenn viele Gründe dafür sprechen, das Paket der derzeit 17 vorgeschlagenen Ziele nicht noch einmal aufzuschnüren, können und müssen die Leitplanken in den SDGs stärker berücksichtigt werden – sowohl in der Präambel als auch auf der Ebene der Targets und Indikatoren.

Der Blick auf die Post-2015-Agenda aus der Perspektive der Leitplanken unterstreicht: Die SDGs müssen universell für alle Staaten gelten – für OECD und Nicht-OECD-Länder gleichermaßen: nur so können die Erdsystemgrenzen eingehalten werden. Denn es sind vor allem der Konsum und der Lebensstil der globalen Mittel- und Oberklassen und deren ökologischer Fußabdruck, die das Erdsystem am stärksten beeinträchtigen.

Die von der VN-Generalversammlung angenommenen SDGs müssen deshalb auch für Länder wie die USA und die Staaten der Europäischen Union gelten. Nur so kann der „safe operating space“ für die Menschheit, sowie für Armutsbekämpfung und menschliche Entwicklung für viele folgende Generationen, bewahrt werden.

Über die Autor*innen

Brandi, Clara

Ökonomie und Politikwissenschaft

Brandi

Messner, Dirk

Politikwissenschaftler

Messner

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