Die aktuelle Kolumne

EU-interner Widerstand gegen Entwaldung

Eine Aufweichung der EUDR-Verordnung bedroht Glaubwürdigkeit der EU

Rodríguez de Francisco, Jean Carlo
Die aktuelle Kolumne (2025)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS), Die aktuelle Kolumne vom 10.06.2025

Bonn, 10. Juni 2025. Der internationale Tag der biologischen Vielfalt fand dieses Jahr am 22. Mai 2025 statt und stand unter dem Motto „Harmonie mit der Natur und nachhaltige Entwicklung“. Dahinter verbirgt sich der Aufruf, Fortschritt mit dem Schutz der Ökosysteme in Einklang zu bringen. Doch nur wenige Tage später steht die Europäische Union an einem beunruhigenden Wendepunkt: Wichtige Mitgliedstaaten und die zuständigen Akteur*innen innerhalb der EU drängen darauf, die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) aufzuweichen, was sowohl die Umwelt als auch die Glaubwürdigkeit der EU gefährdet.

Mit der 2023 verabschiedeten EUDR verfolgt die EU das ambitionierte Ziel, nur noch entwaldungsfreie Produkte auf dem EU-Markt zuzulassen. Dabei geht es vor allem um wichtige Rohstoffe wie Kakao, Palmöl, Soja und Rindfleisch, deren Produktion häufig zum Verlust von Waldflächen führt. Im Rahmen der EUDR müssen Unternehmen, die diese Produkte auf den EU-Markt bringen, eine gründliche Sorgfaltsprüfung durchführen und nachweisen, dass ihre Waren nicht von entwaldeten Flächen stammen und nicht zur Waldschädigung beitragen. Es muss eine Sorgfaltserklärung vorgelegt werden, die sich auf Nachweise wie Geolokations- und Lieferkettendaten stützt und die Einhaltung der Vorschriften belegt. Marktbeteiligte und Händler*innen haften dafür, dass die Produkte die EUDR-Anforderungen erfüllen. Bei Verstößen drohen ihnen hohe Strafen, darunter Geldbußen und Verkaufsverbote. Für die Durchsetzung der Verordnung, etwa durch Kontrollen, Audits und Untersuchungen, sind die zuständigen nationalen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten zuständig. Sie sind auch befugt, Sanktionen zu verhängen, nicht konforme Waren zu beschlagnahmen und den Marktzugang zu untersagen. Die EUDR verknüpft somit Umweltschutz mit rechtlicher Haftung – mit dem Ziel einer nachhaltigen Landnutzung und dem Erhalt der biologischen Vielfalt.

Trotz ihrer Bedeutung stößt die Verordnung nun auf Widerstand in der EU. Im Oktober 2024 schlug die Europäische Kommission eine Verschiebung um zwölf Monate vor, obwohl sie eine Woche zuvor eine rechtzeitige Umsetzung zugesichert hatte. Das Europäische Parlament und der Rat stimmten diesem Vorschlag zu und verschoben die Umsetzungsfristen für große und mittlere Unternehmen auf den 30. Dezember 2025 und für Klein- und Kleinstunternehmen auf den 30. Juni 2026.

Im Mai 2025 forderten elf Mitgliedstaaten – Österreich, Luxemburg, Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Finnland, Italien, Lettland, Portugal, Rumänien und Slowenien – weitreichende Änderungen an der EUDR, darunter die Einführung einer neuen Länderkategorie mit „sehr geringem Risiko“ oder „Nullrisiko“, die derzeit nicht in der Verordnung vorgesehen ist. Diese sähe deutlich schwächere Verpflichtungen zur Einhaltung der Vorschriften für Importe aus bestimmten Ländern vor. Insbesondere wären Marktbeteiligte, die aus Ländern mit „sehr geringem Risiko“ importieren, von bestimmten Sorgfaltspflichten befreit, wie z. B. von der Verpflichtung, detaillierte Geolokalisierungsdaten zu erheben oder vollständige Risikobewertungen der Lieferkette durchzuführen.

Kritiker*innen warnen, dass die Einführung einer solchen Kategorie Schlupflöcher schafft und die Wirksamkeit der Regulierung untergraben könnte. Wenn Länder voreilig oder aus politischen Gründen als mit „sehr geringem Risiko“ eingestuft werden, könnten Waren, die mit Abholzung in Verbindung stehen, nahezu ungeprüft auf den EU-Markt gelangen. Die Risikoklassifizierung ist ohnehin bedenklich, da wichtige Exporteure wie Brasilien, Malaysia und Indonesien trotz der anhaltenden Abholzung in diesen Regionen nur als Länder mit „Standardrisiko“ eingestuft werden. Eine aufgeweichte Sorgfaltspflicht könnte das zentrale Ziel der EUDR gefährden, Produkte vom EU-Markt zu verbannen, die die weltweite Entwaldung vorantreiben.

Dieses Zurückrudern sendet eine widersprüchliche Botschaft. Anhand der EUDR wird sich zeigen, ob Europa bereit ist, seiner grünen Rhetorik entschlossene Taten folgen zu lassen. Eine Aufweichung der EUDR würde weltweite Fortschritte in Richtung entwaldungsfreier Lieferketten untergraben und denjenigen in die Hände spielen, die sich wenig um Umweltschutz scheren.

Die Umsetzung wird nicht einfach, auch nicht für Kleinlandwirt*innen. Die Lösung kann jedoch nicht sein, die Messlatte niedriger zu legen, sondern eine gerechte und wirksame Durchsetzung zu unterstützen: durch technische Hilfe, faire Fristen und eine solide Rückverfolgung. So kann die EU zeigen, dass sie es mit ihrem vielbeschworenen Einsatz für die biologische Vielfalt wirklich ernst meint.
In einer Zeit des rasant voranschreitenden Klimawandels und Biodiversitätsschwunds – nicht zuletzt durch Entwaldung – darf die Welt nicht länger zuschauen. Alle Länder müssen ihre Umweltverpflichtungen einhalten, und die EU darf jetzt nicht lockerlassen. Die EUDR ist mehr als nur ein regulatorischer Meilenstein; sie ist ein zentrales Versprechen zum Schutz der Wälder, zur Wahrung der Rechte indigener Völker, lokaler Gemeinschaften  und von Waldschützer*innen sowie zum Schutz unseres Planeten. Es gilt, sie vollständig umzusetzen und nicht zu verwässern, nur weil es gerade einfacher erscheint.

Weitere IDOS-Expert*innen zu diesem Thema

Aleksandrova, Mariya

Climate risk governance 

Banerjee, Aparajita

Environmental and Resource Sociology, Public Policy 

Dombrowsky, Ines

Ökonomin 

Hagenström, Paul

Internationale Beziehungen 

Hein, Jonas

Geographie 

Hernandez, Ariel

Ökonomie 

Houdret, Annabelle

Politikwissenschaftlerin 

Lehmann, Ina

Politikwissenschaft 

Möschl, Tim

Governance 

Putz, Lena-Marie

Friedens- und Konfliktforschung 

Schüpf, Dennis

Ökonomie