Die aktuelle Kolumne

Eine neue Seidenstraße – Chinas „Soft Power“

Grimm, Sven
Die aktuelle Kolumne (2015)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne, 09.11.2015)

Bonn, 09.11.2015. Die „neue Seidenstraße“ ist eine Initiative des Chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping, die er während seines Staatsbesuches in Kasachstan Mitte 2013 als großes Vorhaben des Silk-Road-Wirtschaftsgürtels angekündigt hat. Im gleichen Jahr ergänzte Xi in einer Rede vor dem indonesischen Parlament die Initiative mit der Maritimen Seidenstraße. Daraus entstand der etwas sperrige Name OBOR – „One belt, One road“. Knapp ein halbes Jahr später wurden 40 Milliarden USD für einen Silk Road Fonds aufgelegt. Er soll vor allem Infrastrukturprojekte finanzieren und stellt teilweise zuvor bestehende Initiativen – wie den China-Pakistan Wirtschaftskorridor – nun unter dem Stichwort OBOR in einen größeren Zusammenhang.

OBOR bietet unmittelbare Anknüpfungspunkte zum Juncker-Plan des Präsidenten der Europäischen Kommission, der Investitionen in Europa in Höhe von 315 Milliarden Euro bis 2017 vorsieht. Premier Li Keqiang soll bereits Chinas Interesse an dem Plan signalisiert haben. Darüber hinaus sollte Europa sich hier aus mindestens drei weiteren Gründen interessiert und offen zeigen:

Erstens: Chinas Soft Power

Die Seidenstraße ist klug gewählt, um chinesische „Soft Power“ zu entfalten, d. h. allein über Anziehungskräfte und mit Überzeugung zu arbeiten. Der Begriff „Seidenstraße“ ist historisch positiv aufgeladen – und bietet Anknüpfungspunkte für Pläne des 21. Jahrhunderts. Die Seidenstraße des Altertums und Mittelalters war ein Netzwerk von Handelsverbindungen. Es verband Europa über verschiedene Routen mit Zentral- und Südasien und letztlich China. Das namensgebende Handelsgut Seide ging gen Westen, nach Osten wurde beispielsweise Glas exportiert. Gehandelt wurden auch Gewürze und Knowhow. Erfindungen wie das Schwarzpulver, Papier und Porzellan kamen gen Westen. Eher als Nebeneffekt wurden Weltanschauungen verbreitet: Buddhismus, Christentum und Islam verbreiteten sich ebenfalls über diese Routen.

Die Idee der Seidenstraße ist offen für vielfältige Interpretationen und vorwiegend positiv besetzt. Die chinesischen Akteure werden hier allerdings noch ihre Prioritäten weiter klären müssen.

Zweitens: Handelspolitische Perspektiven für China

Die chinesische Wirtschaft braucht neue Perspektiven. Geld ist vorhanden – und muss investiert werden, <link internal-link internen link im aktuellen>um Dynamiken aufrechtzuerhalten bzw. neu zu entfalten. Ein Investitionsprogramm in Zentralasien und am Indischen Ozean bietet hier neue Märkte und Absatzmöglichkeiten für chinesische Produkte und Tätigkeitsfelder für Unternehmen. Nicht zuletzt Überkapazitäten im Baugewerbe könnten so auf Mega-Projekte in neuen Regionen orientiert werden und neue Möglichkeiten für andere Bereiche erschließen. Chinas Engagement in Afrika ist bereits dieser Logik gefolgt.

Chinas Staatsführung sieht Zentralasien auch im Lichte der internen Entwicklung in der Unruheprovinz Xinjiang. Politische Spannungen zwischen der uighurischen Bevölkerung und ethnischen Han-Chinesen als Wirtschaftsmigranten führen immer wieder zu gewaltsamen Unruhen. Wirtschaftsentwicklung alleine – ohne politischen Interessenausgleich – wird dieses Problem nicht lösen. Aber: Chinas Westen braucht auch die Vernetzung nach Zentralasien. Zugleich sichert das Engagement die Routen zum großen Absatzmarkt Europa und hat darüber hinaus geostrategische Bedeutung.

Drittens: Möglichkeiten der internationalen Kooperation

Zwischen China und Europa ergeben sich hier Möglichkeiten zur gemeinsamen Krisenbefriedung in einer unruhigen Region. Wirtschaftliches Engagement in unsicherem Gebiet erscheint dem Außenbetrachter zunächst als überambitioniert; es ist allerdings ein bewusstes Handeln. Der chinesische Ansatz zur Befriedung von Konflikten sieht immer wirtschaftliches Wachstum im Zentrum. Aus Sicht Pekings bedarf Frieden immer auch Wirtschaftsentwicklung. Überspitzt gesagt, sieht man in Peking Entwicklung als Voraussetzung von Frieden, während im Westen oftmals „zunächst Frieden, dann Entwicklung“ gedacht wird. Schon für die Seidenstraßen des Altertums war neben der schwierigen Geographie – Gebirge und Wüsten – auch die Sicherheitslage auf dem Weg eine Herausforderung und Karawanen wurden teilweise von bewaffneten Truppen begleitet. Auch das schrittweise Ausweichen des Handels auf den Seeweg war ein Effekt der unsicheren Lage des Landwegs. Im 21. Jahrhundert plant China direkt mit verschiedenen Routen – nicht zuletzt auch, um seine skeptischen Nachbarn einzubinden, die Chinas Expansion etwa im Südchinesischen Meer mit Sorge sehen.

Die Hauptmotivation in Peking sind selbstverständlich chinesische Eigeninteressen. Aber dies muss eine Kooperation aufgrund der europäischen Interessen nicht ausschließen. Noch scheint die Idee flexibel und gestaltbar – und dies sollte Europa als Chance erkennen.

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