Stockholmer Weltwasserwoche 2012: Wettbewerb um Agrarland – und um Wasser

Stockholmer Weltwasserwoche 2012: Wettbewerb um Agrarland – und um Wasser

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Scheumann, Waltina / Michael Brüntrup
Die aktuelle Kolumne (2012)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 27.08.2012 )

Bonn, 27.08.2012. Die derzeit stattfindende Stockholmer Weltwasserwoche hat dieses Jahr das medienwirksame Thema Land- und Wassernahme aufgegriffen. Und das mit guten Gründen.

Landakquisitionen von privaten Unternehmen sind im Agrarsektor nichts Neues. Neu ist jedoch deren Größenordnung. Weltweit sind zwischen den Jahren 2000 und 2010 ca. 50 Millionen Hektar (größer als die Fläche Deutschlands) verpachtet bzw. verkauft worden, und davon alleine 14 Millionen in afrikanischen Ländern. Ein großer Teil der Flächen (40 % weltweit, 70 % im südlichen Afrika) soll für die Produktion von Biokraftstoffen vorgesehen sein, gefolgt von Nahrungsmitteln und Forst. Der Rest bleibt anderen Agrarprodukten, der Viehhaltung, dem Bergbau und Tourismus und der Industrie vorbehalten.

Für Entwicklungsländer ist es wünschenswert, dass Kapital – auch ausländisches – in die Landwirtschaft fließt. Problematisch ist eher die Art und Weise, wie die Investoren sich Land aneignen und zu welchen Konditionen. Land würde oft ohne Rücksicht auf die aktuellen Nutzer übertragen, Kleinbauern unter Druck gesetzt, um den Transaktionen zuzustimmen, und lokale politische Eliten beanspruchten Nutzungsrechte, die sie gewinnbringend veräußerten – so die gängigen Vorwürfe.

Ist Wasser das versteckte Motiv?
Ab 2005 stieg die Nachfrage nach Land in Afrika und Asien deutlich an, und erst recht in den Jahren 2008 und 2009, also zeitnah zur Krise der Grundnahrungsmittel, in der die von Agrarimporten abhängigen Länder wie Saudi Arabien, aber China ihre Anfälligkeit vom internationalen Handel spürten. Mit Direktinvestitionen in Agrarland in Übersee wollen sich diese Länder aus ihrer Abhängigkeit lösen und die Empfängerländer wollen – neben Deviseneinnahmen und Jobs – ihre Produktion für den lokalen Markt erhöhen. Manche Investoren wollen dagegen schlicht vom Preisboom für Nahrungsmittel profitieren.

Natürlich wollen Investoren rentable Standorte, und es ist offensichtlich, dass Land gesucht wird, das entweder mit ausreichend Niederschlägen gesegnet ist oder das Zugang zu Wasser hat. In der Wüste investieren nur Ölfirmen und die Solarbranche, aber keine Agrarfirmen.

Wasser ist ein Faktor, der oft mehr als Land die Agrarproduktion beschränkt. In einigen der wichtigsten Länder, aus denen Investoren stammen, also dem Nahen und Mittleren Osten und China, gibt es zwar Land, aber Wasser ist knapp, und das Entsalzen von Meerwasser und die Nutzung fossiler Grundwasservorräte ist oft (noch) zu teuer.

Allerdings ist es nicht das Wasser alleine, das Investoren anzieht: Eine gute Marktanbindung, billige Arbeitskräfte, niedrige Bodenpreise und Steuern, der mangelhafte Schutz von lokalen Nutzern, die meist keine verbrieften Land- und Wasserrechte haben sowie schlechte Regierungsführung – diese Mischung besitzt sozialen Sprengstoff.

Wasserrechte in Landtransaktionen
Weil Wasser ein so wichtiger Faktor ist, müssen bei Landakquisitionen neben Landrechtsfragen auch Wasserrechte geregelt werden. Schon bei Landrechten ist die Situation einigermaßen kompliziert: Wenn es einen formalen Bodenmarkt gäbe, müsste sich der Zugang zu Wasser neben anderen Faktoren wie Bodenqualität, Marktzugang etc. im Marktpreis für Land wiederspiegeln – und dies müsste sich in höheren Pacht- bzw. Kaufpreisen ausdrücken. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn in vielen afrikanischen Ländern ist der Zentralstaat der offizielle Landeigentümer, während Dorfgemeinschaften, Clans oder traditionelle Autoritäten das Land nur inoffiziell verwalten. Die Bauern erhalten keine adäquaten Gegenleistungen, wenn ihr Land verpachtet bzw. verkauft wird.

Was Wasserrechte angeht, sind die Verhältnisse noch komplizierter: Neben den direkt von Landtransfers betroffenen Landnutzern sind auch landunabhängige Wassernutzer wie Viehhalter, Fischer und Unteranlieger von Bewässerungssystemen betroffen und müssten in Vertragsverhandlungen einbezogen werden. In den wenigen Verträgen, die öffentlich zugänglich sind, sind Wasserrechte nicht spezifiziert oder vage gehalten: Der Wasserbedarf ist bei den Verhandlungen nicht bekannt oder es wird nachverhandelt. In einigen Fällen haben Investoren Wassernutzungsrechte erhalten, die sie gegenüber bestehenden Nutzern privilegieren. Der Zugang von Viehhaltern zu Wasserstellen wird selten erwähnt usw. usf.

Die mit Landtransaktionen verbundene Aneignung von Wasserrechten ist gerade auch an grenzüberschreitenden Flüssen konfliktträchtig. Im äthiopischen Einzugsbereich des Nil investieren chinesische, indische und arabische Firmen in Plantagen, für deren Bewässerung ihnen die äthiopische Regierung freien Zugang zu Wasservorkommen zugesagt hat. Dies könnte die Wassermenge für den Unteranlieger Ägypten reduzieren, die ihm der Vertrag von 1959 zuspricht.

Was können globale Richtlinien ausrichten?
Auch wenn über das wirkliche Ausmaß der Landtransaktionen keine belastbaren Zahlen vorliegen, zeigen die wenigen gut dokumentierten Fälle, dass Handlungsbedarf besteht.

Der UN Ausschuss für Ernährungssicherheit hat mit den Voluntary Guidelines on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food Security (VG) reagiert. Die Principles for Responsible Agricultural Investment That Respects Rights, Livelihoods and Resources (RAI), bei denen die Weltbank federführend war, fordern von Investoren die Einhaltung sozialer, ökologischer und menschenrechtskonformer Standards. Beide haben der Wasserrechtsfrage nicht die ihr zustehende Bedeutung beigemessen.

Wir brauchen erweiterte Richtlinien für Wasserrechte. Der Zugang zu Wasser muss in die zu zahlenden Kompensationsleistungen als Wertgröße für Land eingehen, wenn das Land verkauft bzw. verpachtet wird. Und wenn Wasserrechte vergeben werden, dürfen ältere, oft informelle Nutzerrechte nicht angetastet werden bzw. müssen angemessen entschädigt werden.

Die alles entscheidende Frage ist, wie traditionelle Nutzer von Land und Wasser ihre Rechtsansprüche geltend machen können, wer diese garantieren soll und wer dafür sorgt, dass faire Praktiken bei Vertragsverhandlungen einziehen. Unternehmen können Selbstverpflichtungen eingehen, wie dies zum Beispiel eine Gruppe von Investoren getan hat, die sich zu Principles for Responsible Investment in Farmland verpflichtete. Der Schlüssel zur Durchsetzung fairer Praktiken jedoch sind und bleiben die Regierungen der Zielländer. Internationale Menschenrechtskonventionen und Leitlinien können dabei Leitplanken setzen. Was aber, wenn Regierungen und lokalen Eliten auf der anderen Seite stehen? Eine schlüssige Antwort auf diese Frage muss gefunden werden.

Dass die Stockholmer Wasserwoche die Debatte über dieses Thema eröffnet, ist deshalb mehr als lobenswert.

Über die Autor*innen

Brüntrup, Michael

Agrarökonomie

Brüntrup

Scheumann, Waltina

Politikwissenschaftlerin

Scheumann

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