Süd-Süd-Kooperation: Worte, nur Worte?!

Süd-Süd-Kooperation: Worte, nur Worte?!

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Grimm, Sven / Alexandra Rudolph
Die aktuelle Kolumne (2016)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) (Die aktuelle Kolumne vom 01.08.2016)

Bonn, 01.08.2016. Im Entwicklungskooperationsforum der Vereinten Nationen (UNDCF) und der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wurde letzte Woche über ein Konzept zur Messung von Süd-Süd-Kooperation (SSC) diskutiert. Es geht darum, den Beitrag der Entwicklungs- und Schwellenländer zur Agenda 2030 zu bestimmen. Bisher scheiterte eine einheitliche Datenerhebung an fehlenden Definitionen und Standards sowie mangels Einigung über die Plattform, auf der die Daten erhoben und bereitgestellt werden können.

Die Diskussion zur Datenerhebung für die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) hat begonnen. 22 Länder, darunter Deutschland, berichten bereits in diesem Jahr den aktuellen Stand der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele an das High Level Political Forum in New York. Sie unterstützen damit die in der Agenda 2030 verankerte Forderung nach Rechenschaftsplicht, Transparenz und Verantwortung. Die Datenlage ist größtenteils unbefriedigend – sowohl für den Norden als auch den Süden. Diese gemeinsamen Schwierigkeiten bei der Messung bieten eine einmalige Möglichkeit für gegenseitiges Lernen zwischen verschiedenen Akteuren auf technischer Ebene, denn sie unterstützen die Vertrauensbildung für Klärungen auf politischer Ebene. Sollten die Länder des Südens nicht bald zu einer Einigung auf ihre Definition kommen, wird sich dieses Gelegenheitsfenster schließen.

Bisher argumentieren die Akteure der SSC vor allem politisch. Sie betonen, dass Süd-Süd-Kooperationen zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern fundamental anders sind als Nord-Süd-Kooperation. Das Verständnis von SSC beruht insbesondere auf der Rolle, die Handel und Investitionen sowie Technologietransfer durch Länder in einem ähnlichen Entwicklungsstadium für jeweils beide Partner haben können. Dies geht über die reine Entwicklungshilfe durch Unterstützung und Darlehen hinaus. Allerdings wird in der Abgrenzungsdiskussion oft vergessen, dass auch der Norden mehr Beiträge leistet als der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit „offizieller Entwicklungshilfe“ erfasst.

Wenn die Schwellenländer eine breite Definition ihrer Zusammenarbeit bevorzugen, sollte dies angesichts des breiten Zielsystems der SDGs von allen Akteuren unterstützt werden. Die OECD beispielsweise diskutiert ein erweitertes Konzept zur Erfassung der Finanzströme, in dem auch die Süd-Süd-Kooperationen als wichtiger ergänzender Bestandteil zur traditionellen ODA-Konzeption dargestellt wird. Die Diskussion im Norden dient dazu, Klärungen über einzelne Elemente zu erzielen.

Auch für SSC geht es um Klärung, nicht um das Überstülpen „nördlicher“ Konzepte. Süd-Süd-Kooperation kann und soll explizit zum unmittelbaren gegenseitigen Nutzen sein. Aber sind damit automatisch der gesamte Handel und alle Investitionen als SSC zu erfassen? Oder braucht es Leitlinien, wie ausgewogen der gegenseitige Nutzen sein kann und soll? Es bleibt in der Süd-Süd-Zusammenarbeit völlig unklar, wann die Balance kippt und wir nicht mehr über SSC, sondern von reinen Investitionen zur Generierung von Gewinn sprechen. Zu diesen offenen Fragen kommen noch  unterschiedliche Interessen innerhalb „des Südens“. Zwar bedarf es eines Erfassungsspielraums, der die besonderen Gegebenheiten der beteiligten Länder berücksichtigt, man kann sich aber nicht einmal auf grundlegende Definitionen einigen. Eine Erhebung von SSC ist, neben meist mangelhafter statistischer Kapazität in den Ländern, daher oft unmöglich. Um Vergleichbarkeit schaffen zu können, müssten Mindeststandards für einzelne Elemente, wie z.B. Investitionen, formuliert werden.

Welche Plattform ist geeignet, um die Daten zu erheben und bereit zu stellen? Akteure der SSC lehnen die OECD als „Organisation des Nordens“ ab. Während einige Schwellenländer die Notwendigkeit der globalen Erhebung grundsätzlich in Frage stellen, betonen andere Länder, eine Datenerhebung – und damit Rechenschaftslegung – wäre nur auf Ebene der Vereinten Nationen legitimiert. Sie betrachten die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UNDESA) als mögliche Plattform, die bereits Daten zu Süd-Süd- Entwicklungszusammenarbeit (SSDC) erhoben und in Berichten des UNDCF vorgelegt hat – mangels Alternativvorschlägen angelehnt an OECD-Standards . Die G77-Länder und China unterstützen zudem die UNCTAD politisch. Sie wird traditionell als die Organisation der Entwicklungs- und Schwellenländer angesehen und hat bereits seit einigen Jahren das Mandat, eine statistische Datenbank zur Erhebung von SSC zu entwickeln. Die Umsetzung scheiterte bisher an fehlenden einheitlichen Standards.

Konzepte, die maßgeblich durch Industriestaaten gestaltet werden, bewerten Akteure des Südens als politisch schwierig. Die Schwellenländer betonen immer wieder, die Konzeption ihrer Zusammenarbeit könne nur von ihnen selbst entwickelt werden. Ihre Uneinigkeit wird die Forderung nach Rechenschaft und Transparenz jedoch nicht verringern. Die OECD wird weiter an einer Konzeption zur Schätzung der Süd-Süd Kooperation arbeiten. Wenn die Länder des Südens hier nicht ins Hintertreffen geraten wollen, sollten sie zügig eine eigene Definition von Süd-Süd-Kooperation und deren Bestandteilen klären.

Über den Autor

Grimm, Sven

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