Afrikagipfel der Bundeskanzlerin in Berlin

Warum Europa und Afrika einen Dialog über zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle führen sollten

Warum Europa und Afrika einen Dialog über zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle führen sollten

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Hackenesch, Christine / Julia Leininger
Die aktuelle Kolumne (2019)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 18.11.2019

Bonn, 18.11.2019. Am morgigen Dienstag lädt die Bundeskanzlerin zwölf afrikanische Staats- und Regierungschefs zu einem Afrika-Gipfel nach Berlin. Das Treffen ist Teil des Compact with Africa (CwA), eine Initiative der deutschen G20-Präsidentschaft 2017. Der CwA soll private Investitionen in afrikanischen Partnerländern fördern. Die Initiative hat deutscher Kooperation mit Afrika mehr politische Bedeutung verliehen – ebenso wie der im selben Jahr vom Bundesentwicklungsministerium angestoßene „Marshallplan mit Afrika“. Doch um Afrikapolitik gemeinwohlorientiert und wirksam zu gestalten, muss sich Deutschland auch für einen breiteren Dialog über zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle einsetzen.

Mehr Wettbewerb um Kooperation mit Afrika: Warum jetzt?

Deutschland steht mit seiner Initiative nicht alleine da. Der CwA ist nur ein Beispiel für eine Reihe von Initiativen, die die EU und einige EU-Mitgliedsstaaten, aber auch China, Russland, die USA, die Türkei, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan in den letzten Jahren ins Leben gerufen haben. Es geht den Ländern darum, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit Afrika zu intensivieren und Investitionen zu fördern. Deutschland und andere EU-Akteure möchten außerdem dazu beitragen, das Investitionsklima und die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen in afrikanischen Ländern zu verbessern.

Warum steigt das Interesse an Kooperation mit Afrika gerade jetzt? Deutschland und die EU sehen in der Förderung von Wirtschaftsbeziehungen einen Beitrag zur Reduzierung der Zahl afrikanischer Flüchtlinge und Migrant*innen, die nach Europa kommen (könnten). Vereinfacht gesagt, Investitionen sollen die Lebensbedingungen in afrikanischen Ländern verbessern und damit Migrationsbewegungen langfristig reduzieren. Die Initiativen stehen außerdem im Zeichen des verstärkten wirtschaftlichen und politischen Wettbewerbs mit China in Afrika.

Dialog jenseits der Förderung von Privatinvestitionen

Das neue Interesse an der wirtschaftlichen Kooperation mit Afrika kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt. Die afrikanischen Gesellschaften stehen vor einem massiven Umbruch. Afrikanische und globale Megatrends wie hohes Bevölkerungswachstum, exponentiell wachsende Urbanisierung, die negativen Folgen des Klimawandels und die Digitalisierung verändern Gesellschaften fundamental.

Daher ist es grundsätzlich ein wichtiger Schritt, öffentliche und private Investitionen in Infrastruktur und den Privatsektor zu unterstützen. Nur mit den entsprechenden Mitteln können Gesellschaften gemeinwohlorientierte Politik betreiben und damit die Megatrends pro-aktiv gestalten. Finanzmittel können jedoch nur ein Teil der Antwort auf die immensen Herausforderungen sein, denen die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent gegenüberstehen.

Investitionen tragen zu Gemeinwohl bei, wenn sie eingebettet sind in breitere Vorstellungen und Visionen für zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle in Afrika. Die Initiativen müssten daher von einem umfassenden Dialog mit afrikanischen Partnern begleitet sein, wie wirtschaftliche Entwicklung in Afrika begünstigt werden kann, die nicht nur sozial inklusiv, sondern auch ökologisch nachhaltig ist.  Die Agenda 2063 der Afrikanischen Union (AU) sowie die aktuellen Überlegungen in der EU zur Schaffung eines Green Deal bieten hierfür wichtige Anknüpfungspunkte.

Europäische Afrikapolitik als Forum für Dialog über zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle

Deutschland hat mit dem CwA einen wichtigen Beitrag geleistet, um in der G20 die Kooperation mit Afrika höher auf die Agenda zu setzen. Jedoch sind die G20 bislang kein Forum, in dem G20-Staaten ihre Afrikapolitik untereinander abstimmen oder einen Dialog über zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle mit afrikanischen Partnern suchen würden.

Jenseits der Bemühungen in der G20 sollte Deutschland sich daher für die Erarbeitung einer europäischen Afrikapolitik einsetzen. Bisher gestalten die EU-Mitgliedsstaaten und EU-Institutionen ihre afrikapolitischen Initiativen weitgehend im Alleingang. Angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, der starken Präsenz Chinas und des steigenden geostrategischen Wettbewerbs zwischen externen Kräften in Afrika haben einzelne EU-Staaten in Afrika kaum Gewicht. Eine europäische Afrikapolitik mit gemeinsamer Zielsetzung und abgestimmten Instrumenten ist daher dringend erforderlich.

Das Angebot zu einem umfassenden Dialog über zukunftsfähige Gesellschaftsmodelle könnte Dreh- und Angelpunkt einer gemeinsamen europäischen Afrikapolitik sein. EU-Mitgliedsstaaten könnten so ihre vielfältigen Erfahrungen mit unterschiedlichen Sozial- und Wirtschaftsmodellen als komparativen Vorteil in der Kooperation mit Afrika nutzen. Gleichzeitig ist klar, dass sich im Zeitalter der Transformation zur Nachhaltigkeit alle Gesellschaften gleichermaßen in einem Suchprozess befinden. Europa hat keine Blaupausen wie eine CO2-neutrale Wirtschaft aussieht, die gleichzeitig sozial und politisch inklusiv ist. Hierin liegt auch eine Chance, weil europäische und afrikanische Gesellschaften in gemeinsame Wissensproduktion investieren können und müssen. Die Vorbereitungen für den nächsten AU-EU-Gipfel, der im Winter 2020/2021 stattfindet, sind ein zentrales Zeitfenster, um diesen Dialog anzustoßen.

Über die Autor*innen

Hackenesch, Christine

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Leininger, Julia

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