Die neue Europäische Kommission

Wie die Europäische Union ihre Rolle als Friedensmacht stärken kann

Wie die Europäische Union ihre Rolle als Friedensmacht stärken kann

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Furness, Mark / Julian Bergmann
Die aktuelle Kolumne (2019)

Bonn: German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 28.10.2019

Bonn, 28.10.2019. Die neue Europäische Kommission nimmt weiter Gestalt an. Das Team um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird jedoch frühestens am 1. Dezember formell seine Tätigkeit aufnehmen. Vier Mitglieder der Kommission werden für die EU-Außenbeziehungen zuständig sein. Diese vier sind Josep Borrell aus Spanien als Hoher Vertreter für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik, die Finnin Jutta Urpilainen, Kommissarin für Internationale Partnerschaften, ein (noch zu bestätigender) Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterung und Janez Lenarčič aus Slowenien für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement.

Von der Leyen hat angekündigt, dass ihr Team eine „geopolitische“ Kommission mit einer starken strategischen Ausrichtung in der Außenpolitik sein werde. Grundsätzlich ist dies ein begrüßenswerter Ansatz, ist die EU bisher doch für ihre langwierigen und bürokratischen Entscheidungsprozesse bekannt. Es gibt jedoch frühe Hinweise darauf, dass der Ansatz der neuen Kommission gegenüber der internationalen Zusammenarbeit auch stark von Sicherheitsaspekten geprägt sein wird.

Das Phänomen der Versicherheitlichung – welches bedeutet, dass einerseits politische Fragen, die keinen vordergründigen Sicherheitsbezug haben, als Sicherheitsfragen behandelt und andererseits Mittel für die Abwehr wahrgenommener Bedrohungen eingesetzt werden, die eigentlich nicht für sicherheitspolitische Zwecke vorgesehen sind – gewinnt in den Außenbeziehungen der EU seit einigen Jahren an Bedeutung. Besonders deutlich wird dies auf dem Gebiet der Migrationspolitik. Narrative, die Migranten und Geflüchtete als Bedrohung für die Sicherheit, den Wohlstand und die Kultur Europas porträtieren, halten sich hartnäckig. Entwicklungshilfegelder werden zur Finanzierung von Initiativen zur Migrationssteuerung eingesetzt, in denen der Zugang zu EU-Mitteln von Grenzkontrollen und der Rücknahme von Flüchtlingen abhängig gemacht wird.

Die Mission Letters, in denen von der Leyen die Aufgaben der Kommissare beschreibt, weisen darauf hin, dass sich daran auch in den nächsten fünf Jahren wenig ändern dürfte. Im Schreiben an Borrell wird der Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion eine hohe Priorität eingeräumt; die Rolle der EU als zivile Friedensstifterin, auf die der Hohe Vertreter wesentlich mehr Einfluss nehmen könnte, findet jedoch keine Erwähnung. Im Schreiben an Urpilainen wird diese aufgefordert, die Mittel der Entwicklungshilfe im Zweifelsfall anzupassen, um die Ziele der EU im Bereich der Migrationssteuerung zu erreichen. Dies würde bedeuten, dass die Mittel für Länder gekürzt werden könnten, die in diesem Bereich nicht (ausreichend) kooperieren.

Zwei zentrale Vorschläge für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU verstärken den Eindruck, dass sich das Gleichgewicht von zivilem Engagement für den Weltfrieden zugunsten eines ausgesprochen sicherheitslastigen Ansatzes verschiebt. Der erste Vorschlag betrifft die Schaffung der Europäischen Friedensfazilität, eines außerbudgetären EU-Fonds zur Finanzierung der Sicherheitszusammenarbeit mit Partnerregierungen und regionalen Organisationen. Wenn der 10,5 Millionen Euro schwere Fonds genehmigt wird, könnten damit die Bereitstellung von Waffen und Munition durch die EU finanziert werden. Dies würde eine erhebliche Abkehr vom Kerngedanken der EU als Zivilmacht bedeuten. Zweitens sehen die Vorschläge für den nächsten EU-Haushalt die Aufnahme des 2,3-Milliarden-Instruments für Sicherheit und Frieden in das neue Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit der EU vor. Diese Maßnahme könnte die Dimension der zivilen Friedensförderung durch die EU weniger sichtbar machen.

Unterstützer der EU als globale Stimme für den Frieden können sich trotzdem dafür einsetzen, dass einige Schlüsselfragen auf der Agenda bleiben. Am wichtigsten ist kurzfristig gesehen die Einrichtung strenger Auflagen für die Europäische Friedensfazilität, um die Lieferung von Waffen in autoritäre und instabile Partnerländer zu verhindern. Daneben muss die zivile Dimension der Friedensförderung und Krisenbewältigung durch die EU gestärkt werden. Eine solche Stärkung könnte angestoßen werden durch die Ausarbeitung einer EU-Strategie für Konfliktprävention und Friedensförderung mit einem besonderen Schwerpunkt auf Mediation und ziviler Konfliktbearbeitung. Eine weitere Maßnahme wäre die Einrichtung einer eigenen Ratsarbeitsgruppe für Konfliktprävention und Friedensförderung. Die Verabschiedung eines entsprechenden Beschlusses im Europäischen Parlament im März spricht dafür, dass eine Nachfrage nach diesen Maßnahmen vorhanden ist, wenn der politische Wille unter den Mitgliedstaaten gefunden werden kann. Zu guter Letzt sollten die Prinzipien zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit eingehalten werden, vor allem im Hinblick auf Eigenverantwortung der Partner, gegenseitige Rechenschaftspflicht und Transparenz, wenn es darum geht, Initiativen zur Migrationssteuerung oder den Kapazitätsaufbau von Sicherheitskräften in den Partnerländern zu finanzieren.

 

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