Policy Brief

Wirtschaftliche Eigeninteressen in der deutschen Entwicklungspolitik: wie kann das aussehen?

Altenburg, Tilman / Babette Never / Rita Strohmaier
Policy Brief (13/2025)

Bonn: German Institute of Development and Sustainability (IDOS)

DOI: https://doi.org/10.23661/ipb13.2025

Der Ruf nach einer stärkeren Ausrichtung der Entwicklungspolitik an nationalen Eigeninteressen ist in vielen Geberländern – auch in Deutschland – lauter geworden. Tatsächlich gibt es gute Gründe, die internationalen Politiken Deutschlands besser zu verzahnen. Synergien zwischen Entwicklungszusammenarbeit (EZ), Außenwirtschaftsförderung und Wissenschaftskooperation werden bislang nicht systematisch genutzt, könnten aber sowohl deutschen Interessen als auch jenen der Partnerländer dienen. Zudem steht Deutschland in geopolitischer Konkurrenz zu Akteuren, die ihre EZ längst offensiv für strategische Interessen einsetzen.
Wir plädieren für eine Entwicklungspolitik, die deutsche und europäische Interessen dort verfolgt, wo diese mit entwicklungspolitischen Zielen vereinbar sind. Statt einzelne Unternehmensinteressen zu fokussieren, gilt es, langfristige Win-win-Potenziale zu erkennen – etwa durch eine strategischere Vorbereitung der EZ-Angebotsplanung unter Einbindung von Wirtschaft und Ressorts im Vorfeld von Regierungsverhandlungen mit den Partnerländern. Gleichzeitig warnen wir vor einer Unterordnung der EZ unter außenwirtschaftliche Ziele. Auflagen wie Lieferbindungen, die finanzielle Zusammenarbeit an Aufträge für deutsche bzw. EU-Firmen knüpfen, sind teuer, ineffizient und entwicklungspolitisch kontraproduktiv. Zudem liefe sie Gefahr, die übergeordneten deutschen Interessen an Lösungen für globale Probleme – wie Friedenssicherung und Schutz von Klima und Biodiversität – aus den Augen zu verlieren.
Wir formulieren fünf Leitlinien für eine entwicklungspolitische Strategie, die Eigeninteressen gerecht wird, ohne den Partnerländern zu schaden:
1. Strikte Lieferbindung vermeiden. Diese wäre entwicklungspolitisch ineffizient und würde auch deutschen Unternehmen kaum nützen. Als Exportnation sollte Deutschland sich an Regeln für Vertragsfreiheit halten.
2. Gesamtgesellschaftliche Eigeninteressen ver-folgen, wo sie mit EZ-Zielen vereinbar sind. Wir unterscheiden zwischen globalen deutschen Inter-essen und jenen von Einzelunternehmen. EZ-Projekte sollten wirtschaftliche Interessen mit dem Gemeinwohl im Partnerland in Einklang bringen.
3. Strategische Angebotsentwicklung vor Regierungsverhandlungen. Die stärksten Synergien entstehen, wenn EZ-Initiativen gemeinsam mit Wirtschaft und anderen Ressorts frühzeitig vorbereitet werden. Dies erfordert, dass gemeinsame nationale Ziele definiert, die Instrumente der Ressorts zu deren Erreichung koordiniert und Angebote der Wirtschaft vorab sondiert werden.
4. Modellhafte strategische Partnerschaften schaffen. Deutschland hat viele bilaterale Partnerschaften vereinbart, insbesondere für Energie, Rohstoffsicherung und Migration. Keine davon ist vorzeigbar im Sinne guter Ressortkoordination, Einbindung der Wirtschaft und nachweisbarer Vorteile für beide beteiligten Länder. Mindestens ein Leuchtturmprojekt pro genanntem Themenfeld würde Deutschland als glaubwürdigen Partner attraktiv machen.
5. Minilaterale Formate mit europäischen und einflussreichen anderen Ländern ausbauen. Drei- und Viereckskooperationen mit „Globalpartnern“ und Geberländern, die gleiche oder ähnliche Interessen haben, können verstärkt werden, um Deutschlands Interessen an einer gemeinwohlorientierten internationalen Entwicklung zu fördern.

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